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Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Töchter des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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seltsame Weise an.
    Sie hatten einmal zu anderen Menschen gehört, dachte er. Vielleicht wurde so das Wort Familie definiert. Gehörte man einmal zu anderen Menschen, gehörte man immer dazu.
    Dieses Problem hatte er nie gehabt. Oder aber dieses Glück.
    Er wanderte weiter zwischen den Gräbern herum und überlegte, wann die Ehemänner, Ehefrauen und Kinder wohl kamen, um die Kränze und Blumen niederzulegen. Am Todestag? Am Geburtstag? Am Namenstag? Oder Ostern vielleicht. Das war für die Katholiken ein großes Fest.
    Er würde Brianna fragen, dachte er. Dies war etwas, das sich bestimmt in seinem Buch verwenden ließ.
    Er hätte nicht sagen können, warum er genau in diesem Augenblick stehenblieb, um sich genau diesen Grabstein anzusehen. Aber er tat es, und während ihm die sanfte Brise durch die Haare fuhr, stand er dort und blickte auf das Grab von Thomas Michael Concannon hinab.
    Briannas Vater? überlegte er, und der Gedanke versetzte ihm einen seltsamen Stich. Die Daten schienen richtig zu sein. O’Malley hatte ihm Geschichten von Tom Concannon erzählt, als er im Pub gewesen war. Geschichten, aus denen echte Zuneigung sprach, echtes Gefühl, echter Humor.
    Gray wußte, daß er ganz plötzlich gestorben war, auf den Klippen bei Loop Head, mit niemandem außer Maggie, die
bei ihm gewesen war. Aber die Blumen auf dem Grab waren Briannas Werk, daran zweifelte er nicht.
    Sie hatte sie direkt über ihm gepflanzt, und kaum, daß der Winter vorüber war, hatte sie bereits sämtliches Unkraut ausgezupft und den Weg geebnet für die erste Gruppe tapferer Sprosse, die sich auf der Suche nach der Sonne durch die Erde schob.
    Noch nie hatte er am Grab eines Menschen gestanden, der ihm nahe oder auch nur bekannt gewesen war. Obgleich er regelmäßig auf Friedhöfe ging, hatte er noch nie die Ruhestätte eines geliebten Menschen aufgesucht. Nun jedoch spürte er ein Ziehen, das ihn niederkauern und leicht mit der Hand über den sorgsam gepflegten Hügel streichen ließ.
    Er wünschte sich, er hätte Blumen mitgebracht.
    »Tom Concannon«, murmelte er. »Dein Andenken wird geehrt. Die Menschen sprechen über dich, und wenn dein Name fällt, dann lächeln sie. Ich schätze, das ist der schönste Nachruf, den man sich wünschen kann.«
    Seltsam zufrieden saß er neben Tom und beobachtete, wie Licht und Schatten auf der Reihe von Steinen spielten, die von den Lebenden zu Ehren der Toten gepflanzt worden war.
     
    Er gab Brianna drei Stunden Zeit, was offensichtlich mehr als ausreichend war, denn sobald er vorgefahren war, trat sie aus dem Haus. Sein Lächeln schwand, als er sie genauer ansah.
    Ihr Gesicht war kreidebleich, was ein sicheres Zeichen von Erregung bei ihr war. Ihr Blick verriet trotz seiner Kühlheit, wie angespannt sie war. Er schaute in Richtung des Hauses und entdeckte, daß jemand hinter dem Vorhang stand. Obgleich er Maeve nur für den Bruchteil einer Sekunde sah, erkannte er, daß sie ebenso bleich und offenbar ebenso unglücklich wie ihre Tochter war.
    »Und, alles gepackt?« fragte er in ruhigem Ton.
    »Ja.« Sie glitt auf den Beifahrersitz, wobei sie ihre Handtasche
so fest umklammert hielt, daß das Weiß ihrer Knöchel deutlich zu erkennen war. »Danke, daß du gekommen bist, um mich abzuholen.«
    »Die meisten Menschen empfinden Kofferpacken als Plackerei.« Gray lenkte den Wagen auf die Straße, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, behielt er beim Fahren ein vernünftiges Tempo bei.
    »Das kann es auch sein.« Normalerweise machte diese Arbeit ihr Spaß, da sie sie als Teil der Vorfreude darauf, irgendwohin zu fahren, und am Ende des Urlaubs als Teil der Vorfreude auf Daheim betrachtete. »Aber jetzt ist es geschafft, und morgen früh fahren sie ab.«
    Gott, am liebsten hätte sie die Augen zugemacht und hätte geschlafen, um auf diese Weise ihrem stechenden Kopfschmerz und ihren Schuldgefühlen zu entgehen.
    »Willst du mir erzählen, weshalb du so aufgeregt bist?«
    »Ich bin nicht aufgeregt.«
    »Du bist aufgeregt, unglücklich und kreidebleich.«
    »Es ist etwas Persönliches. Eine Familienangelegenheit.«
    Die Tatsache, daß ihm ihre Weigerung, sich ihm anzuvertrauen, einen Stich versetzte, überraschte ihn. Aber er zuckte lediglich mit den Schultern und schwieg.
    »Tut mir leid.« Jetzt machte sie die Augen zu. Weshalb nur konnte man sie nicht auch nur einen Augenblick in Frieden lassen? »Das war nicht nett von mir.«
    »Vergiß es.« Weshalb sollte er sich überhaupt ihre Probleme

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