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Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Töchter des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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sehen.«
    »Der Tod ist etwas Faszinierendes, besonders, wenn er gewaltsam erfolgt. Die Menschen haben schon immer Jagd aufeinander gemacht. Und dies ist ein phänomenaler Ort für einen Mord — von der modernen Art.«
    »Für einen Mord deiner Art«, murmelte sie.
    »Mmm. Zuerst spielt er mit seinem Opfer«, setzte er an, während er die Stufen zum nächsten Stockwerk zu erklimmen begann. Es stimmte, daß er ganz in seiner Phantasie gefangen war, aber zumindest hatte er auf diese Weise Brianna von ihren Sorgen abgelenkt. »Die Atmosphäre und die rauchigen Geister der Vergangenheit mischen sich wie ein langsam wirkendes Gift in die Angst der jungen Frau. Er beeilt sich nicht — er liebt, er braucht die Jagd. Er riecht die Angst des Opfers, wie ein Wolf. Und genau dieser Geruch geht ihm ins Blut und erregt ihn wie ein sexueller Akt. Und die Frau klammert sich an den dünnen Hoffnungsfaden und rennt davon. Aber sie keucht, und der Wind trägt das Echo ihres Keuchens zu ihm herab. Sie stürzt — die Treppen sind trügerisch in der Dunkelheit, und der Regen hat sie naß und rutschig gemacht. Trotzdem kriecht sie schluchzend und mit schreckgeweiteten Augen weiter hinauf.«
    »Gray . . .«
    »Inzwischen ist sie fast ebenso ein Tier wie er. Das Entsetzen hat ihr die Menschlichkeit geraubt, ebenso wie es durch guten Sex oder durch echten Hunger geschehen kann. Die
meisten Menschen meinen, sie hätten irgendwann einmal diese drei Dinge durchgemacht, aber nur in den seltensten Fällen hat ein Mensch auch nur eins dieser Gefühle in seinem ganzen Ausmaß kennengelernt. Aber jetzt erfährt sie, was echtes Entsetzen ist, erkennt die Angst als etwas Lebendiges, das ihr die Hände um den Hals legt, so daß sie langsam zu ersticken scheint. Sie sucht nach einem Schlupfloch, aber nirgends gibt es ein Versteck. Und sie hört, wie er hinter ihr langsam, aber unerbittlich die Treppe erklimmt. Dann erreicht sie den obersten Stock.«
    Er zog Brianna aus dem Schatten der Mauer auf das breite, ummauerte Dach, über dem sich gleißender Sonnenschein ergoß.
    »Wo sie gefangen ist.«
    Plötzlich packte er sie, und als sie vor Entsetzen schrie, zog er sie lachend an seine Brust. »Himmel, du bist ein tolles Publikum.«
    »Das ist nicht lustig.« Sie zappelte verzweifelt in seinen Armen herum.
    »Es ist wunderbar. Ich habe die Absicht, sie von ihm mit einem antiken Dolch verstümmeln zu lassen, aber . . .« Er trug Brianna zum Rand des Dachs. »Vielleicht ist es genausogut, wenn er sie einfach über die Mauer wirft.«
    »Hör auf!« Aus reinem Selbsterhaltungstrieb schlang sie die Arme um seinen Hals und klammerte sich an ihm fest.
    »Ich frage mich, weshalb ich nicht schon früher auf diese Idee gekommen bin. Dein Herz klopft dir bis zum Hals, und du legst freiwillig die Arme um mich.«
    »Von freiwillig kann ja wohl kaum die Rede sein.«
    »Aber zumindest habe ich dich auf diese Weise von deinen Problemen abgelenkt, nicht wahr?«
    »Ich habe lieber weiterhin meine Probleme, vielen Dank, wenn du mir dafür deine verdrehte Phantasie ersparst.«
    »Es gibt Millionen von Menschen, die von meiner Phantasie
begeistert sind.« Er zog sie ein wenig enger an seine Brust. »Schließlich ist diese verdrehte Phantasie genau das, worum es in Büchern, im Kino und sonstwo geht. Sie ermöglicht es einem, der Realität für eine Weile zu entfliehen, indem man sich über die Probleme anderer Menschen den Kopf zerbricht.«
    »Und was ermöglicht es dir, der du diese verdrehten Geschichten selbst erzählst?«
    »Dasselbe. Genau dasselbe, denke ich.« Er stellte sie wieder auf die Füße und drehte sie so, daß sie vom Dach der Ruine auf die weite Landschaft sah. »Es ist, wie wenn man malt.« Sanft zog er sie an seine Brust. »Bereits als ich diesen Platz zum ersten Mal sah, war ich wie gebannt von ihm. Es regnete, und ich hatte das Gefühl, daß jede Farbe vor meinen Augen verschwamm.«
    Sie stieß einen Seufzer aus. Auf seine seltsame Art hatte er es tatsächlich geschafft, dafür zu sorgen, daß sie Ruhe und Frieden fand. »Bald ist der Frühling da«, murmelte sie.
    »Du riechst immer nach Frühling.« Er beugte seinen Kopf hinab und strich mit seinen Lippen über ihren Hals. »Und du schmeckst auch nach Frühling, wenn ich es so sagen darf.«
    »Wenn du so weitermachst, werden meine Knie weich.«
    »Dann halt dich besser an mir fest.« Er drehte sie zu sich und umfaßte ihr Gesicht mit einer Hand. »Ich habe dich schon seit Tagen nicht mehr

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