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Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Töchter des Windes: Roman (German Edition)

Titel: Töchter des Windes: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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gewesen war. Oder dessen, was beinahe gewesen wäre. Sämtliche Illusionen waren zerstört. Ihr Leben war einzig auf Lügen aufgebaut. Sie war durch Lügen empfangen worden, durch Lügen geboren, durch Lügen genährt.
    Schluchzend erreichte sie ihr Haus, wo sie stehenblieb, die Fäuste ballte und die Nägel hart in ihr Fleisch grub.
    Die Vögel sangen immer noch, und die zarten jungen Blumen,
die sie selbst gepflanzt hatte, wiegten sich immer noch in der sanften Frühlingsluft. Aber sie rührten sie nicht länger an. Sie sah sich selbst, schockiert und entsetzt, als sie von Rory zu Boden gestoßen worden war. All die Jahre später erinnerte sie sich noch genau an den Schmerz und die Verwirrung, die sie empfunden hatte, als er mit wütendem, angewidertem Gesicht davongestoben war.
    Sie war als Hure gebrandmarkt worden. Von ihrer eigenen Mutter. Von dem Mann, dem sie in Liebe verbunden gewesen war. Was für ein Witz, denn schließlich hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nie das Gewicht eines Mannes auf sich gespürt.
    Lautlos öffnete sie die Tür und trat in den Flur. Also hatten an jenem Morgen vor langer Zeit andere Menschen ihr Schicksal bestimmt. Jetzt, an diesem Tag, nähme sie ihr Schicksal endlich wieder selbst in die Hand.
    Zielsicher ging sie die Treppe hinauf, öffnete Grays Zimmertür und trat entschlossen hinter ihn. »Grayson.«
    »He?«
    »Willst du mich?«
    »Sicher. Später.« Er hob den Kopf und sah sie mit wirrem Blick an. »Was? Was hast du gesagt?«
    »Willst du mich?« wiederholte sie, wobei ihre Haltung ebenso starr wie ihre Stimme war. »Du hast gesagt, daß du mich willst, und du hast dich auch so benommen, als wolltest du mich.«
    »Ich . . .« Er unternahm einen mannhaften Versuch, sich aus der Phantasiewelt in die Realität zu ziehen. Sie war kreidebleich, merkte er, und ihre Augen glitzerten kalt. Und schmerzerfüllt. »Brianna, was ist los?«
    »Ich habe dir eine einfache Frage gestellt. Und ich wäre dir dankbar, wenn du sie mir beantworten würdest.«
    »Natürlich will ich das. Was — was zum Teufel machst du da?« Er riß den Mund auf und sprang wie ein geölter Blitz von
seinem Stuhl, als sie ihre Bluse aufzuknöpfen begann. »Jetzt mach aber mal ’ne Pause. Gottverdammt, hör auf damit.«
    »Du hast gesagt, daß du mich willst. Und jetzt erfülle ich dir diesen Wunsch.«
    »Ich habe gesagt, daß du aufhören sollst.« Mit drei Schritten war er bei ihr und zog ihre Bluse wieder zu. »Was ist nur in dich gefahren? Was ist passiert?«
    »Das ist im Augenblick egal.« Sie spürte, daß sie zu zittern begann, und setzte sich verzweifelt dagegen zur Wehr. »Du hast versucht, mich zu überreden, mit dir ins Bett zu gehen, und jetzt bin ich dazu bereit. Wenn du allerdings jetzt keine Zeit dafür erübrigen kannst, dann sag es nur.« Ihre Augen blitzten zornig auf. »Ich bin es gewohnt, daß man mich nicht will.«
    »Dies ist keine Frage der Zeit . . .«
    »Also dann.« Sie machte sich von ihm los und schlug die Bettdecke zurück. »Hast du die Vorhänge lieber offen oder zu? Mir ist es egal.«
    »Laß die blöden Vorhänge.« Sie schlug die Bettdecke ebenso ordentlich zurück wie immer, und wie jedesmal, wenn er sie bei dieser Tätigkeit beobachtete, wallte heißes Verlangen in ihm auf. »Wir werden das jetzt nicht tun.«
    »Dann willst du mich also nicht.« Sie rückte ihre geöffnete Bluse zurecht, so daß er ein verführerisches Stückchen weißer Haut und sauberer weißer Baumwolle zu sehen bekam.
    »Du bringst mich um«, murmelte er.
    »Fein. Dann lasse ich dich lieber in Ruhe sterben.« Mit hoch erhobenem Kopf marschierte sie zur Tür, doch seine ausgestreckte Hand hinderte sie daran, hindurchzugehen.
    »Du gehst nirgendwohin, bis du mir nicht erzählt hast, was los ist.«
    »Nichts, zumindest offenbar nicht mit dir.« Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür und vergaß, ihren Atem zu kontrollieren, so daß er den herzerweichenden Schmerz in ihrer
Stimme vernahm, als sie weitersprach. »Aber sicher gibt es irgendwo einen Mann, der einen Augenblick erübrigen kann, um mit mir ins Bett zu gehen.«
    Er bleckte die Zähne. »Diesen Unsinn höre ich mir nicht länger an.«
    »Oh, ich wollte dich nicht langweilen. Entschuldigung. Tut mir leid, daß ich mit meinem Anliegen zu dir gekommen bin. Es ist nur so, daß ich dachte, du hättest das, was du gesagt hast, auch so gemeint. Weißt du, das war schon immer mein Problem«, murmelte sie, und in ihren Augen blitzten Tränen auf.

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