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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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eine, die ihre Kuriere in Windjacken und Trikots mit Logo steckte. Jace kannte Typen, die auf die bessere Bezahlung verzichtet hatten, weil sie auf keinen Fall ihre Individualität aufgeben und wie Klone herumlaufen wollten. Jace hätte ein Affenkostüm angezogen, wenn es dafür mehr Geld gegeben hätte, aber Agenturen, die eine eigene Uniform hatten, bezahlten ihre Kuriere nicht bar auf die Hand.
    Er hatte vielleicht zehn Minuten gewartet, als er Mojo die Fifth herunterkommen sah. Obwohl die Sonne noch nicht richtig aufgegangen war, trug er die Ray-Charles-Brille, die sein Markenzeichen war. Seine Knöchel und Schienbeine waren über der dunkelroten Radlerhose mit hellgrünem Stretchband umwickelt, und er trug mehrere Schichten zerrissener T-Shirts und Sweatshirts übereinander. Er sah aus wie ein Tänzer, der gerade eine schlechte Zeit durchmachte.
    Jace ging über die Straße, als Mojo an der Kreuzung auf den Gehweg fuhr.
    »Hey, Kumpel«, sagte er. »Kannst du mir…«
    »Ich hab nichts für dich, Mann«, sagte Mojo und bremste. Er schwang sein rechtes Bein über das noch rollende Hinterrad und stieg elegant ab. »Ich hab nichts für dich außer ein paar guten Wünschen.«
    Jace hob im Näherkommen den Kopf aus dem Jackenkragen und hoffte, dass Mojo ihn erkennen würde. Er blickte um sich, um sich zu vergewissern, dass sonst niemand auf der Straße war. »Mojo, ich bin's. Jace.«
    Mojo blieb abrupt stehen und starrte ihn an. Er schob seine Sonnenbrille nach oben und starrte ihn weiter an. Ohne ein Lächeln.
    »Lone Ranger«, sagte er schließlich. »Du siehst aus, als wäre der Teufel hinter dir her gewesen und hätte dich erwischt.«
    »Ja, so was in der Art.«
    »Die Polizei hat gestern nach dir gefragt. Zwei verschiedene Trupps. Die ersten wollten wissen, ob ich dich kenne, und ich hab ihnen erklärt, dass niemand den Lone Ranger kennt.«
    »Was hat Eta ihnen erzählt?«
    »Sie hat dich auch nicht gekannt«, sagte er mit einem Gesicht, das so ernst und traurig war wie das des gekreuzigten Jesus Christus auf alten Gemälden – wenn Jesus einen Kopf voller Dreadlocks gehabt hätte. »Für jemanden, den keiner kennt, bist du ein ziemlich gefragter Mann, J.C.«
    »Das ist eine komplizierte Geschichte.«
    »Nein, das glaube ich nicht. Entweder hast du einen Kerl umgebracht oder nicht.«
    Jace sah ihm in die Augen. »Ich habe ihn nicht umgebracht. Warum sollte ich das tun?«
    Mojo erwiderte seinen Blick. »Geld ist meistens ein gutes Motiv.«
    »Wenn ich jetzt Geld hätte, würde ich nicht hier stehen. Ich würde in einem Flugzeug nach Südamerika sitzen.«
    Er sah nervös die Straße hinunter, darauf gefasst, dass jemand aus dem Café kam und ihn erkannte. »Ich muss mit Eta reden, aber ich kann nicht zurück zu Speed und ich hab ihre Handynummer nicht.«
    »Da, wo Eta ist, gibt's kein Telefon, Mann«, sagte Mojo.
    Ein merkwürdiges Kribbeln kroch über Jaces Rücken, als er in Mojos Jesus-Gesicht sah. Mojos Augen waren verquollen und rot gerändert, als hätte er geweint. »Was meinst du damit?«
    »Ich bin auf dem Weg hierher am Büro vorbeigekommen. Die Gasse dahinter ist kreuz und quer mit gelbem Band abgesperrt. Hinter der Absperrung lief ein Polizist rum.«
    Jace spürte die Art von Kälte, die nichts mit dem Wetter zu tun hat. Es war die Kälte, die von tief innen kommt.
    »Nein«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Ich sag zu ihm: ›Ich arbeite hier, Mann.‹ Er sagt zu mir: ›Nein, heute nicht, Rastaman.‹« Seine Augen begannen zu glänzen. Seine Stimme wurde rau. »›Letzte Nacht ist hier 'ner Lady die Kehle durchgeschnitten worden.‹«
    Jace wich einen Schritt zurück, drehte sich zuerst in die eine Richtung, dann in die andere, suchte nach einer Möglichkeit, dem allen zu entfliehen, den schrecklichen Bildern zu entfliehen, die sich vor seinem geistigen Auge ausbreiteten wie Blutflecken auf einem Stück Stoff. »Das war nicht sie.«
    »Ihr Wagen stand dort. Sie ist nicht ohne ihn nach Hause.«
    »Vielleicht ist er nicht angesprungen. Vielleicht hat sie sich ein Taxi gerufen.«
    Mojo sah ihn nur schweigend an. Jace drehte sich einmal um sich selbst. Im Stillen schrie er um Hilfe, aber so wie in einem Traum konnte ihn niemand hören. In seinem Kopf machte sich ein furchtbarer Druck breit, wurde immer schlimmer, drückte von innen gegen seine Ohren, gegen seine Augen. Er umklammerte seinen Kopf mit den Händen, als wollte er verhindern, dass er platzte, dass die Bilder, die Gedanken aus

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