Tödlich ist die Nacht
Freunden gegangen.
Tyler kroch auf dem Bauch bis an den Rand des Dachs und sah in den Hof hinunter. Der Parkplatz war leer. Nur Boo Zhu war noch da, er saß auf der Laderampe, wiegte sich hin und her und weinte.
Tyler hatte Mitleid mit ihm. Er hatte nicht den geringsten Zweifel, dass Chi Boo Zhu gesagt hatte, er solle dem Polizisten erzählen, dass er Jace kannte, weil sich dann alle freuen würden und stolz auf ihn wären. Jetzt war Boo Zhu verstört und verängstigt. Er konnte nicht begreifen, warum keiner über seine Enthüllung begeistert gewesen war. Oder warum Chi ihn allein gelassen hatte.
Während sein Herz gegen seine Rippen hämmerte, lauschte Tyler angestrengt, ob auf der Treppe oder in der Wohnung Stimmen oder Schritte zu hören waren. Vielleicht suchten sie ja noch unten nach ihm. Er würde warten. Er konnte ja von hundert rückwärts zählen. Sobald er hörte, dass sie sich dem Dach näherten, würde er nach unten klettern.
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, um die Tränen wegzuwischen, die ihm vor lauter Angst in die Augen gestiegen waren.
Einhundert, neunundneunzig, achtundneunzig…
Was, wenn er sie nicht kommen hörte? Sein Herzschlag dröhnte in seinen Ohren.
Siebenundneunzig, sechsundneunzig, fünfundneunzig…
Konnten sie ihn in Beugehaft nehmen? Ins Gefängnis stecken?
Vierundneunzig, dreiundneunzig …
Würden sie auf der Stelle das Jugendamt benachrichtigen?
Zweiundneunzig …
Wenn sie ihm das Walkie-Talkie wegnahmen, konnte er Jace nicht erreichen.
Einundneunzig .
Wenn ihn das Jugendamt von hier wegholte, würde Jace ihn nicht finden. Niemals.
Bei dem Gedanken stürzten Tyler die Tränen aus den Augen. Er kroch von der Dachkante weg, rannte auf die andere Seite des Gebäudes und kletterte auf die Feuertreppe. Das Eisen war verrostet. Ein paar der Halterungen saßen nicht mehr fest, die alten Schrauben lösten sich aus der Wand. Die Treppe hielt Tylers Gewicht aus, weil er leicht war, aber sie wackelte und klapperte, und er hoffte, dass niemand es hören würde.
Seine Füße sprangen so rasch wie möglich von Stufe zu Stufe. Er war schnell, aber er hatte Angst, und wenn man Angst hatte, machte man Fehler. Einmal blieb er mit der dicken Gummisohle seines Turnschuhs hängen und stolperte. Im Fallen griff er nach dem Geländer, schürfte sich die Knöchel auf und stieß sich den Ellbogen an, dann fand er sein Gleichgewicht wieder.
Der letzte Teil des Fluchtwegs bestand aus einer Leiter, die hochgezogen war und ein paar Meter über dem Boden hing, um zu verhindern, dass jemand von unten heraufkletterte. Tyler packte sie mit beiden Händen und versuchte, sie nach unten zu schieben, aber sie bewegte sich keinen Millimeter, er war nicht kräftig genug.
Ohne einen Gedanken an die Gefährlichkeit seines Tuns zu verschwenden, schwang er sich wie ein Affe auf die andere Seite der Leiter, unter ihm gähnte der Abgrund. Er hätte Angst bekommen, wenn er Zeit gehabt hätte, nach unten zu sehen. Er hielt sich mit beiden Händen an einer Sprosse über seinem Kopf fest und sprang auf der untersten Sprosse auf und ab. Die Leiter gab ein paar Zentimeter nach, noch ein paar Zentimeter, und dann schoss sie so schnell nach unten, dass ihm der Atem stockte. Im nächsten Augenblick wurden seine Hände von der Sprosse weggerissen, als die Leiter zu einem abrupten Halt kam.
Die letzten anderthalb Meter fiel er, und aus seinen Lungen wich alle Luft auf einmal, als er unsanft auf dem Hintern landete.
Er rollte sich auf Hände und Knie, richtete sich auf und lehnte sich an die Ziegelwand, bis der Boden unter ihm zu schwanken aufhörte.
Die Cops waren ins Haus gegangen. Er kam nur über den Hof von hier weg. Wandte er sich nach rechts, wäre er schnell auf der Straße, aber er war sich nicht sicher, ob dort nicht ein Polizeiauto stand und wartete. Aus dieser Richtung war einige Zeit zuvor der Streifenwagen gekommen. Wandte er sich nach links, musste er am Parkplatz vorbei. Wenn nun Detective Kyle wieder herausgekommen war… oder Chi…
Er wandte sich nach links und schlich an der Rückwand des Gebäudes entlang. Am Ende angekommen, spähte er vorsichtig um die Ecke. Der Parkplatz und die Laderampe waren leer, nur Boo Zhu saß immer noch da, seinem Elend überlassen. Tyler holte dreimal tief Luft und rannte so schnell er konnte über die freie Fläche. Er kauerte sich hinter den Stapel hölzerner Paletten, wo der andere Detective ihn entdeckt hatte. Detective Parker.
Tyler hätte gern
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