Tödlich ist die Nacht
erzählen Sie mir nichts von Schuhen. Diese Budapester von Tod's an Ihren Füßen sehen nach sechshundertfünfzig Dollar aus. Ich kenne sonst keinen Cop, der sechshundertfünfzig Dollar teure Schuhe trägt.«
»Außer Ihnen.«
»Das ist etwas anderes.«
»Ach so? Ich wette, in Ihrem Schrank stapeln sich die Manolos. Sie hatten bisher nicht zweimal dasselbe Paar in einer Woche an. Ich habe insgesamt vielleicht fünf Paar Schuhe.«
»Vielleicht habe ich einen Freund, der mir gern hübsche Geschenke macht. Kleider, Schuhe…«
»Sie haben einen Freund?«
Sie ging nicht darauf ein. »Vielleicht haben Sie ja so eine Freundin«, sagte sie hinterhältig. »Vielleicht haben Sie verborgene Talente. Wie steht's damit, Parker? Sind Sie der Liebhaber irgendeiner reichen Lady? Haben Sie von ihr den Jaguar bekommen, mit dem Sie am Wochenende rumfahren? Falls Sie so gut sind, würde es sich ja vielleicht doch lohnen, sich etwas näher mit Ihnen zu befassen.«
»Was wissen Sie von meinem Wagen?«
Sie zuckte mit den Schultern und tat unschuldig. »Ich habe so was läuten hören.«
Parker sah kurz zu ihr und dann wieder auf die Straße, als die Ampel vor ihnen auf Grün umsprang. »Ich halte es nicht für besonders schlau, wenn ein Cop teure Geschenke annimmt. Man kann nie wissen. Der edle Spender könnte eines Tages ernsthaft mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Möglicherweise bittet er dich dann um einen großen Gefallen. Selbst wenn du dich nicht allzu weit für ihn aus dem Fenster hängst, könnte jemand herausfinden, dass die goldene Uhr an deinem Handgelenk ein Geschenk des Angeklagten ist und dann nimmt man dich in die Mangel. Dienstvergehen. Bestechlichkeit. Und ehe du dich's versiehst, rücken dir die eigenen Leute von Internal Affairs auf die Pelle.«
»Wenn man sich nichts zuschulden kommen lässt, hat man auch nichts zu verbergen«, erwiderte Ruiz.
»Jeder hat etwas zu verbergen, Süße.«
»Ja? Und was haben Sie zu verbergen, Parker?«
»Wenn ich es Ihnen erzählen würde, könnte ich es ja nicht mehr verbergen. Nie Angst oder Schwäche zu erkennen geben, Mädchen. Irgendjemand wird es gegen einen verwenden, wenn man es am wenigsten erwartet.«
Sie schwiegen eine Weile und krochen im morgendlichen Verkehr die Straße entlang. Anwälte und noch mehr Anwälte, Buchhalter und noch mehr Buchhalter, Banker und noch mehr Banker, die zu ihren Büros in den Hochhäusern von Downtown unterwegs waren. Mercedes, BMW, Porsche. Der Wagen, den die Detectives fuhren, war eine unauffällige Limousine fragwürdigen Baujahrs. Im Raub- und Morddezernat hatten sie bessere Wagen. Die mussten ja auch im Fernsehen was hermachen. Die wichtigste Anforderung, die ein Wagen in Parkers Abteilung erfüllen musste, war, dass er keine Verlockung für einen Autodieb darstellte.
Beim zweiten Kurierdienst – Reliable Couriers – buchstabierte ihnen ein gut aussehender junger Angestellter in einem Anzug von J. Crew und mit einer schicken Brille seinen Namen – Rayne Carson – , damit er in einem zukünftigen Bericht auch angemessen Erwähnung finden würde. Er erzählte ihnen, dass Lenny Lowell bei ihnen auf der schwarzen Liste stand, weil er zu den Kunden gehörte, die eine größere Rechnung auflaufen ließen und sich dann weigerten zu zahlen. Sie nahmen keine Aufträge mehr von ihm an.
»Würden Sie glauben, dass die meisten auf dieser Liste Anwälte sind?«, sagte er in vertraulichem Ton zu Parker und deutete auf die Liste, die hinter dem Schreibtisch an der Wand hing.
»Die einzigen Schulden, an deren Bezahlung Anwälten gelegen ist, sind ihre Honorarforderungen«, sagte Parker mitfühlend.
Das Telefon läutete, und Rayne Carson hob einen Finger und warf ihnen einen entschuldigenden Blick zu, bevor er auf eine Taste der Telefonanlage drückte und über sein schnurloses Headset dem Anrufer lauschte, die Hand mit dem Stift schreibbereit über einem Notizblock schwebend.
So wie er aussah, hätte man ihn sich eher als Portier in einem trendigen Hotel oder einem In-Lokal in West Hollywood vorstellen können, dachte Parker. Aber die Zeiten waren hart. Die Jobs mit guten Trinkgeldern hatten sich arbeitslose Schriftsteller und Schauspieler unter den Nagel gerissen, Opfer der Begeisterung für Reality TV.
Ruiz sah Parker an, verdrehte die Augen und gab einen ihrer tödlich gelangweilten tiefen Seufzer von sich. »Ich glaube, er will sich mit Ihnen verabreden«, murmelte sie.
Carson machte eine Geste, die zeigen sollte, dass der Anrufer
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