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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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bewegungsunfähig, in der Falle, angreifbar. Das war nicht gut. Er brauchte Platz, Überblick, einen Fluchtweg. Sobald sie das Gebäude betreten hatte, war er ausgestiegen und auf die andere Straßenseite gelaufen. Der Karton stand halb verdeckt vor einem Lieferwagen des Möbelladens. Der Laden öffnete erst in ein paar Stunden. Hier konnte er sich eine Zeit lang verstecken.
    Eta hatte versprochen, gleich wieder mit dem Geld herauszukommen, aber kurz nachdem sie hineingegangen war, war Preacher John aufgetaucht, hatte sein Rad an die Mülltonne gekettet und war im Büro verschwunden. Dann kam Mojo, dann der Typ, den sie immer nur Hardware nannten, weil er so viele Piercings hatte. Möglicherweise hatten sie gestern alle den Papierkram liegen lassen, weil sie nach Hause wollten, raus aus dem Regen, und waren heute früher gekommen, um ihn zu erledigen, bevor die ersten Aufträge eintrudelten.
    Wo blieb Eta?
    Alles, was sie tun musste, war, die Scheine in einen Umschlag zu stecken und in ihrem Minivan zu deponieren. Von Rocco, dem Chef, war nichts zu sehen, genauso wenig wie von Vlad, seinem Kompagnon, der offensichtlich den lieben langen Tag nichts anderes tat als zu rauchen, von seinem Handy aus mit anderen Russen zu telefonieren und im Büro Golf zu spielen. Rocco tauchte für gewöhnlich um neun auf, Vlad erst um die Mittagszeit, und das meistens verkatert.
    Nun komm schon, Eta. Komm endlich.
    Jace vergrub sich in seinem viel zu großen Army-Parka und sah auf den Zeitungsausschnitt, den er ihr im Auto hatte zeigen wollen. Er las den Artikel wohl zum hundertsten Mal. Lenny Lowells gewaltsames Dahinscheiden von dieser Welt war auf einen knappen Zweispalter reduziert, der in den Tiefen der LA Times begraben war. Dort stand, der Anwalt sei von seiner Tochter Abigail entdeckt worden (eine 23 Jahre alte Jurastudentin an der Southwestern University) und dass man ihn in seinem Büro erschlagen hatte. Eine Autopsie sei angeordnet. Detectives des LAPD hätten die Ermittlungen aufgenommen.
    Abby Lowell. Das hübsche Mädchen mit den braunen Haaren auf dem Foto auf Lennys Schreibtisch. Eine Jurastudentin. Jace fragte sich, ob sie irgendetwas gesehen hatte. Vielleicht hatte sie mitbekommen, wie der Jäger den Tatort verließ. Vielleicht wusste sie, wer ihrem Vater den Tod gewünscht haben könnte und warum. Vielleicht wusste sie, wer die Leute auf den Negativen waren.
    Die Hintertür von Speed ging auf, und zwei Leute kamen heraus. Zuerst ein Mann: durchschnittlich groß, durchschnittlich gebaut, ein teuer aussehender Regenmantel und ein Hut, wie ihn die Detektive in den Vierziger-Jahre-Filmen trugen. Sam Spade. Phillip Marlowe. Dahinter eine zierliche Frau in einem schwarzen Kostüm, in ihrem Ausschnitt blitzte etwas rot auf. Genervt. Hispanisch. Sam Spade schenkte ihr keine Beachtung.
    Cops. Zumindest der Typ – auch wenn er viel zu gut gekleidet war. Jace konnte Cops schon von weitem erkennen. Sie hatten eine bestimmte Haltung, einen bestimmten Gang, bewegten sich auf eine bestimmte Art. Wenn sie in eine neue Umgebung kamen, standen ihre Augen keine Sekunde still. Sie nahmen alles um sich herum auf, für den Fall, dass sie sich später an einzelne Details erinnern mussten.
    Der Cop ging langsam um Etas Minivan herum, sah durch die Fenster. Ein kalter Schauer kroch Jace über den Rücken, und er bekam eine Gänsehaut. Die Frau schien mehr daran interessiert, den Typen zusammenzustauchen, als sich den Van anzusehen. Keiner von beiden versuchte, eine der Türen zu öffnen, dann gingen sie wieder zurück ins Gebäude.
    Jace zitterte. Warum interessierten sich die Cops für Etas Minivan, wenn ihnen nicht jemand einen Tipp gegeben hatte? Sie hatte ihm geraten, er solle zur Polizei gehen. Vielleicht hatte sie kurzerhand die Entscheidung für ihn getroffen?
    Er sagte sich, dass er nicht enttäuscht sein durfte, weil er im Grunde niemals von irgendjemandem etwas erwartete. Aber er war enttäuscht. Die Leute meinten nie das, was sie sagten. Oder in dem Moment, in dem sie ein Versprechen gaben, wollten sie es vielleicht tatsächlich halten, unter Druck überlegten sie es sich dann jedoch anders. Das war immer das Kleingedruckte bei jeder Abmachung – Gilt nicht unter veränderten Bedingungen.
    Eta behandelte die Kuriere, als wäre sie ihre mitunter genervte Ersatzmutter. Sie hatte ein gutes Herz. Aber warum sollte sie bei den Cops den Kopf für ihn hinhalten? Sie führte ihr eigenes Leben, hatte ihre eigenen, richtigen Kinder. Er war

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