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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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sagen, wer er war? Ein Mandant von Lenny? Ein Reporter auf der Suche nach einer Story?
    Die Idee gefiel ihm. Lennys Mandanten waren Kriminelle. Warum sollte sie einem von ihnen die Tür öffnen? Aber ein junger Reporter, der nach der Wahrheit suchte… Falls sie ihm nicht gleich die Tür vor der Nase zuschlug, könnte er vielleicht ein paar Fragen stellen und ein paar Antworten bekommen. Wahrscheinlich würde sie aber durch den Spion einen Blick auf ihn werfen und die Polizei rufen. Er sah gefährlich aus oder irre oder beides, mit seinem zerschundenen Gesicht und den einen Tag alten Bartstoppeln. Niemand, der auch nur für fünf Cent Verstand besaß, würde ihm die Tür öffnen, oder?
    »Zentrale an Sechzehn. Zentrale an sechzehn. Wo bist du, Lone Ranger?«
    Das kam so überraschend, dass er zusammenzuckte. Eta.
    »Zentrale an Sechzehn. Ich hab einen Auftrag für dich. Sechzehn, hörst du mich?«
    Er warf einen Blick auf das Funkgerät, ließ es jedoch liegen, in seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Standen die Cops vielleicht neben ihr und versuchten, ihn mit ihrer Hilfe in die Falle zu locken?
    »Zentrale an Sechzehn. Ich hab Knete, Baby. Lass nie die Knete warten.«
    Meinte sie Knete im Sinn von Kundschaft? Oder meinte sie Knete im Sinn von Bargeld? Bargeld war ein gutes Lockmittel. Jace dachte an die beiden Cops vor dem Büro von Speed. Der Kerl mit dem Hut und die kurvenreiche Chica . Er war sich nach wie vor nicht ganz sicher, ob sie wirklich von der Polizei war, er aber auf jeden Fall. Morddezernat, nahm er an.
    Jace sagte sich, nur weil sie wussten, wo er arbeitete, hieß das noch lange nicht, dass sie ihn auch finden könnten. Im schlimmsten Fall konnte er immer noch mit Tyler verschwinden. Aber nur wenn es keinen anderen Ausweg mehr gab. Die Vorstellung, Tyler aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen, aus dem einzigen richtigen Zuhause, das er jemals kennen gelernt hatte, aus der Ersatzfamilie, die ihm Sicherheit und Liebe gab, zerriss Jace das Herz. Aber was sonst konnte er tun?
    Die Antwort lag ihm wie ein Stein im Magen, schwerer als der Burrito, den er gerade gegessen hatte. Darüber wollte er gar nicht nachdenken. Seine Mutter hatte ihn nicht dazu erzogen, sich einfach zu verdrücken. Tyler war alles an Familie, was er hatte. Jace würde ihn nicht im Stich lassen.
    A. L. Lowell wohnte in einem einstöckigen schlichten Gebäude mit ein paar dezenten spanischen Stilelementen an der Fassade. Erbaut in den Zwanzigern oder Dreißigern, als die Leute noch Geschmack hatten. Die Gegend war eine schräge Mischung aus trendigem West Hollywood, dem Yuppie-Schick von Hancock Park und aus heruntergekommenem Wilshire-Arbeiterviertel. Je nachdem, in welcher Straße man sich gerade befand, war es hier gefährlich, ruhig, trostlos, familienfreundlich oder ein Ort, an dem man eine transsexuelle Prostituierte aufgabeln konnte.
    Jace fuhr an dem Gebäude vorbei und hielt Ausschau nach irgendwelchen Lebenszeichen.
    Aus der Größe des Gebäudes und der Anordnung der Fenster vorne und auf den Seiten schloss er, dass es vier Wohnungen gab, zwei im Erdgeschoss, zwei im ersten Stock. Es gab keinen Portier, keinen livrierten Türsteher.
    Er parkte den Mini um die Ecke auf der anderen Straßenseite, von hier aus konnte er die Eingangstür im Blick behalten, ohne den Verdacht zu erwecken, dass er das Haus beobachtete. Dann wartete er.
    Es war ein kalter, feuchter, verhangener Tag. Niemand hatte Lust rauszugehen. Wegen der vielen Bäume, die die Straßen säumten und in den Gärten Wache standen, war es hier so düster wie in einem Wald. Vor A. L. Lowells Haus überdachten die Kronen riesiger Ahornbäume die Straße.
    Jace hatte sich immer vorgestellt, dass er in einem solchen Viertel aufgewachsen wäre, wenn sein Leben normal verlaufen wäre. Die Leute hier kannten einander wahrscheinlich, sie blieben stehen und hielten ein Schwätzchen auf dem Gehsteig, wenn sie mit Hund oder Kinderwagen unterwegs waren. Niemand hier lebte unter dem einen Namen an dem einen Ort, bekam seine Post unter einem anderen Namen an einen anderen Ort geschickt, packte mitten in der Nacht seine Sachen zusammen und verschwand.
    Eine ältere, gebeugt gehende Frau trat mit einem großen weißen Pudel aus der Eingangstür des Lowell-Hauses. Sowohl sie als auch ihr Hund trugen Regenhauben aus Plastik, die unter dem Kinn verknotet waren. Sie krochen im Schneckentempo den Gehweg entlang, wobei der Hund ein Häufchen nach dem anderen fallen ließ wie ein

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