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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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gut gereiften Scotch, hm?«
    »Woher willst du wissen, dass es nicht doch ein junger Mann ist?«
    »Weil du zu klug bist, um mir das zu sagen. Es mit einem Siebzehnjährigen zu treiben ist nicht legal, aber das weißt du ja selbst.«
    »Abgesehen davon wäre es pervers«, erklärte Kelly. »Der Knabe könnte ja mein Sohn sein. Bin ich vielleicht Demi Moore? Ich habe mich noch nie für Jungs interessiert, immer nur für Männer«, sagte sie mit schmeichelnder Stimme.
    Parker räusperte sich. »Und? Hast du etwas für mich?«
    »Mein Gedächtnis funktioniert nicht besonders gut vor dem Essen«, sagte sie. »Wir treffen uns im Morton's in West Hollywood. Du zahlst.«

22
    Jace stellte das Auto von Madame Chen auf dem kleinen Parkplatz hinter dem Büro ab, der für sie reserviert war. Er wischte innen alles mit feuchten Papiertüchern ab, um jede Spur, dass er hinter dem Lenkrad gesessen, die Tür berührt oder die Sitze angefasst hatte, zu beseitigen. Dann stand er neben dem Auto, weiß Gott wie lange, und versuchte zu entscheiden, was er als Nächstes tun sollte.
    Vom Meer her war dichter Nebel aufgezogen und in jede Ecke und jeden Winkel der Stadt gekrochen, ein milchiger Schleier, der die Umrisse der Gebäude und das gelbe Licht, das aus den Fenstern drang, weicher machte. Er fühlte sich, als wäre er eine Figur in einem Traum, so als könnte er von einem Augenblick zum nächsten verschwinden und keiner würde sich mehr an ihn erinnern.
    Vielleicht war das genau das, was er tun sollte – verschwinden. Das hätte Alicia getan. Sie hätte ohne ein Wort ihre Sachen gepackt und wäre mitten in der Nacht mit ihnen weggegangen. Sie wären in irgendeinem anderen Teil der Stadt wieder aufgetaucht, mit neuen Namen, aber ohne Erklärung für das alles.
    Jace hatte sich viele Male gefragt, warum sie das machte. Als er in Tylers Alter war, hatte er sich alle möglichen Geschichten über seine Mutter ausgedacht, in denen sie immer die Rolle der Heldin einnahm und ihre Kinder vor den verschiedensten Gefahren schützte. Als er älter und klüger geworden war, nicht mehr ganz so naiv, hatte er sich gefragt, ob Alicia möglicherweise auf der Flucht vor der Polizei war.
    Aber das konnte er sich kaum vorstellen. Seine Mutter war eine ruhige, freundliche Frau gewesen, die ihn, als sie ihn einmal bei einem Ladendiebstahl erwischt hatte, allein dadurch zum Weinen brachte, dass sie ihm sagte, wie enttäuscht sie von ihm war.
    Vielleicht war sie wie er einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, dachte er jetzt.
    »Warum kommst du nicht ins Licht, JayCee?«
    Madame Chen tauchte wie durch Zauberhand plötzlich unter der schwachen Funzel über der Tür zum Büro auf, während sie das sagte.
    »Ich habe sehr viel im Kopf«, sagte Jace.
    »Deine Gedanken sind schwer wie Steine.«
    »Es tut mir Leid, dass ich Ihnen erst jetzt Ihr Auto zurückbringe, Madame Chen.«
    »Wohin hast du denn dein Fahrrad zur Reparatur gebracht? Zum Mond?«
    Jace öffnete den Mund, um ihr zu antworten, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken wie ein Teigklumpen. Er musste wieder an den Tag denken, an dem seine Mutter ihn beim Stehlen erwischt hatte.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte er schließlich. »Unter vier Augen.«
    Sie nickte und ging wieder hinein. Jace folgte ihr mit gesenktem Kopf. Sie deutete auf einen Holzstuhl mit gerader Lehne neben ihrem Schreibtisch und wandte ihm den Rücken zu, während sie zwei Tassen Tee aus der stets gefüllten Teekanne eingoss, die auf dem schmalen Fenstersims über ihrem mit Papieren überhäuften Schreibtisch thronte.
    »Ich vermute, auf dem Mond gibt es kein Telefon«, sagte sie, ohne eine Miene zu verziehen. »Der Mann im Mond hat keine Familie, die sich um ihn sorgen könnte.«
    »Ich stecke in einer unangenehmen Situation, Madame Chen«, sagte Jace.
    »Du steckst in Schwierigkeiten«, korrigierte sie ihn und blickte ihn das erste Mal direkt an. Sie konnte ihre Reaktion nicht verbergen. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht, ihr Mund öffnete sich vor Schreck.
    Er hatte versucht, sich mit ein paar Papiertüchern und einer Flasche Wasser zu säubern, die er aus einem Automaten vor einem mexikanischen Supermarkt in Los Feliz gezogen hatte. Aber Wasser wusch keine Schnitte, blauen Flecken und Schwellungen ab. Er wusste, dass er aussah, als wäre er in einen Boxkampf geraten und als Verlierer daraus hervorgegangen.
    Madame Chen sagte etwas auf Chinesisch, mit leiser, ängstlicher Stimme. Ihre Hand zitterte, als

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