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Tödlich ist die Nacht

Tödlich ist die Nacht

Titel: Tödlich ist die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hoag
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sie seine Tasse auf die einzige Stelle auf dem Schreibtisch, die nicht von Papieren bedeckt war, stellte. Sie ließ sich auf ihren Stuhl sinken. Jace sah, dass sie um Fassung rang, bemüht, eine Strategie zu finden, um mit einer Situation, die außerhalb ihres Erfahrungsbereichs lag, fertig zu werden.
    »Erzähl es mir«, sagte sie. »Erzähl mir alles.«
    Jace wollte tief ein- und ausatmen, aber der Schmerz in seinen Rippen hinderte ihn daran. Er hatte hin und her überlegt, was er ihr sagen sollte und was nicht, was für sie und für Tyler sicherer wäre.
    »Es werden Ihnen vielleicht einige Dinge über mich zu Ohren kommen«, sagte er. »Schlimme Dinge. Sie sollen wissen, dass sie nicht stimmen.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Hältst du mich für so wenig loyal, dass du meinst, mir das sagen zu müssen? Du bist wie ein Sohn für mich.«
    Wenn ihr Sohn ein geheimes Leben unter einem Dutzend falscher Namen führte. Wenn ihr Sohn wegen Mordes und tätlichen Angriffs gesucht wurde. Wenn ihr Sohn von einem Killer verfolgt wurde.
    Madame Chen hatte keine Kinder. Vielleicht mochte sie ihn deswegen so gern, dachte Jace. Sie wusste es einfach nicht besser.
    »Der Anwalt, bei dem ich gestern Abend eine Sendung abgeholt habe, wurde ermordet aufgefunden, nachdem ich in seinem Büro gewesen war. Die Polizei sucht mich.«
    »Pah! Die sind doch verrückt! Du würdest niemals einen Menschen umbringen!«, rief sie aufgebracht. »Du hast ihn nicht umgebracht. Sie können dich nicht für etwas, das du nicht getan hast, ins Gefängnis stecken. Ich werde meinen Anwalt anrufen. Er wird alles regeln.«
    »So einfach ist es nicht, Madame Chen. Sie haben wahrschein
    lich meine Fingerabdrücke in dem Büro gefunden.« Und ich wurde in der verwüsteten Wohnung der Tochter des Opfers er wischt , fügte er im Geiste hinzu. Ich habe mit ihr geredet. Sie kann mich identifizieren. Sie wird sagen, dass ich sie angegriffen habe…
    »Wie kommt die Polizei auf die Idee, dass du diesen Mann umgebracht hast?«, fragte sie, etwas ruhiger. »Welches Motiv hättest du, etwas so Schreckliches zu tun?«
    »Ich weiß es nicht. Möglicherweise wurde er ausgeraubt oder etwas in der Art.«
    »Ein Unschuldiger hat nichts zu verbergen. Du musst zur Polizei gehen und ihnen erzählen, was du weißt.«
    Jace hatte schon während ihrer letzten Worte angefangen, den Kopf zu schütteln. »Nein. Warum sollten sie mir glauben und es sich schwer machen, wenn sie alle nötigen Beweise gegen mich in der Hand haben?«
    »Weil du nicht schuldig bist…«
    »Aber ich sehe schuldig aus.«
    Sie seufzte und griff nach dem Telefon. »Ich werde jetzt meinen Anwalt anrufen und…«
    »Nein!« Jace war von seinem Stuhl aufgesprungen, beugte sich über den Schreibtisch und drückte auf die Gabel, heftiger, als er wollte. Eine Sekunde lang blickte Madame Chen ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal.
    »Ich kann nicht zur Polizei gehen«, sagte er leise und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken. »Bitte verstehen Sie doch. Ich kann dieses Risiko nicht auf mich nehmen.«
    Er rieb sich übers Gesicht und stöhnte leise auf, als er den Schnitt an der Wange berührte, den ihm der zerbrochene Spiegel in Abby Lowells Wohnung zugefügt hatte. Er hätte wahrscheinlich genäht werden müssen, aber das ging nicht.
    »Wenn ich zur Polizei gehe«, sagte er, »dann ist alles vorbei.«
    »Nichts ist vorbei, denn…«
    »Sie werden mich ins Gefängnis werfen. Selbst wenn ich letztlich nicht verurteilt werde, lande ich zuerst mal im Gefängnis. Es dauert Monate, bis ein Fall vor Gericht kommt. Was geschieht dann mit Tyler? Wenn das Jugendamt von ihm erfährt, werden sie ihn mitnehmen. Er wird in eine Pflegefamilie gesteckt…«
    »Das würde ich niemals zulassen!«, sagte Madame Chen, wütend, dass er diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung zog. »Tyler gehört zu uns. Hier ist sein Zuhause.«
    »Das würde das Jugendamt anders sehen. Die nehmen ihn mit, und dann bekomme ich ihn garantiert nie zurück.«
    »Aber er ist hier doch gut versorgt.«
    »Das ist denen egal«, sagte Jace. Die Warnungen seiner Mutter hatten sich genauso in sein Hirn eingebrannt wie die schrecklichen Geschichten, von denen er auf der Straße gehört und in den Zeitungen gelesen hatte. »Die haben doch nur Gesetze und Vorschriften im Kopf, die von Leuten gemacht wurden, die für sie persönlich nie von Bedeutung sein werden. Die schauen dich an und sehen jemanden, der nicht von ihrem System erfasst ist, der nicht die

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