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Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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verlieren, ich muss wissen, woran ich bin, sagte sie sich.
    Als Armstrongs kleiner Konvoi aus zwei Limousinen eine halbe Stunde später in der Ladezone vor dem Hintereingang hielt, hatte jeder Gast schon ein paar Gläser Billigsekt getrunken und so viele matschige Kanapees gegessen, wie er wollte. Seine dreiköpfige persönliche Leibwache brachte ihn durch einen rückwärtigen Korridor in den Ballsaal und hielt dort ungefähr drei Meter Abstand. Sein Auftritt sollte zwei Stunden dauern, sodass er für jeden Gast zirka sieben Sekunden Zeit hatte. An einer Absperrung vor einer Menge stehend wären sieben Sekunden eine kleine Ewigkeit gewesen, aber diese Situation war anders, vor allem was die Händedruckmethode betraf. Im Wahlkampf lernt man als Politiker sehr rasch, einen Händedruck zu vermeiden, indem man nicht die Handfläche, sondern den Handrücken seines Gegenübers ergreift. Das erzeugt eine Muss-mich-wegen-der-vielen-Unterstützung-beeilen-Hektik und bedeutet vor allem, dass nicht der Parteigänger, sondern der Politiker entscheidet, wann er loslassen will. Aber bei einer Veranstaltung dieser Art durfte Armstrong nicht mit dieser Masche arbeiten. Deshalb musste er allen richtig die Hand schütteln und schnell sein, um das Siebensekundenlimit einzuhalten. Manche Gäste gaben sich mit einem kurzen Händedruck zufrieden, andere hingegen blieben etwas länger stehen und überschütteten ihn mit überschwänglichen Glückwünschen. Es gab Männer, die mit der linken Hand seinen rechten Unterarm umfassten. Andere legten ihm einen Arm um die Schultern, um sich zur Erinnerung knipsen zu lassen. Manche waren enttäuscht, weil seine Frau nicht da war. Wieder andere nicht. Vor allem eine Frau nicht, die seine Hand fest umfasste und zehn bis zwölf Sekunden lang in ihrer hielt, ihn sogar leicht zu sich heranzog und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Sie war überraschend kräftig und brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. Er bekam gar nicht richtig mit, was sie ihm zuflüsterte. Vielleicht ihre Zimmernummer? Sie war schlank und attraktiv, hatte schwarzes Haar und ein strahlendes Lächeln, sodass ihn das nicht wirklich störte. Er lächelte nur dankend und wandte sich dem nächsten Gast zu. Seine drei Leibwächter vom Secret Service verzogen keine Miene.
    Armstrong machte eine Runde durch den Saal, aß nichts, trank nichts und verließ das Hotel nach zwei Stunden elf Minuten durch den Hinterausgang. Seine Leibwache verfrachtete ihn in seine Limousine und fuhr ihn nach Hause. Die Überquerung des Gehsteigs fand ohne besondere Vorkommnisse statt, und weitere acht Minuten später war sein Haus abgesperrt und für die Nacht gesichert. Im Hotel zogen sich die restlichen Secret-Service-Agenten unbemerkt zurück, und nach gut einer Stunde waren auch die letzten Gäste gegangen.
    Froelich fuhr in ihr Büro zurück und rief Stuyvesant kurz vor Mitternacht zu Hause an. Er nahm sofort den Hörer ab und machte den Eindruck, als habe er schon darauf gewartet, dass sein Telefon klingelte.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie.
    »Okay«, antwortete er. »Irgendwelche Probleme?«
    »Ich hab keine bemerkt.«
    »Sie sollten sich das Video trotzdem ansehen. Auf Gesichter achten.«
    »Das hab ich vor.«
    »Zufrieden, was morgen betrifft?«
    »Ich bin nie zufrieden.«
    »Ist Ihr Außenstehender schon aktiv?«
    »Vergeudete Zeit. Drei volle Tage, und er lässt sich nirgends blicken.«
    »Was habe ich Ihnen gesagt? Das war nicht notwendig.«
    Am Freitagvormittag gab es in Washington nichts zu erledigen, deshalb blieb Armstrong zu Hause und ließ seinen CIA-Mann zu einer zweistündigen Einweisung kommen. Dann übten die zu seinem Schutz eingeteilten Secret-Service-Agenten die Fahrt mit einer Wagenkolonne in einem gepanzerten Cadillac, der von zwei Suburbans, zwei Streifenwagen und einer Motorradeskorte begleitet wurde. Sie fuhren ihn zur Andrews Air Force Base, damit er mittags nach New York fliegen konnte. Aus Höflichkeit gestattete das noch amtierende Präsidentenduo ihm, die Air Force Two zu benutzen, die diese Bezeichnung allerdings erst verwenden durfte, wenn ein richtig ins Amt eingeführter Vizepräsident sich an Bord befand, sodass sie im Augenblick nichts weiter als eine höchst komfortable Privatmaschine war. Sie landete auf dem La-Guardia-Flughafen. Drei Fahrzeuge der Secret-Service-Außenstelle New York holten Armstrong und sein Team ab und brachten sie von einer Motorradeskorte der New Yorker Polizei begleitet nach Süden zur Wall

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