Tödliche Absicht
Vizepräsident Brook Armstrong sechs wichtige Aufgaben zu erfüllen. Die sechste und am wenigsten wichtige war die Fortführung seiner Arbeit als Juniorsenator aus North Dakota, bis seine Amtsperiode offiziell endete. Sein Heimatstaat hatte fast sechshundertfünfzigtausend Einwohner, von denen jeder sich jederzeit mit einem Anliegen an ihn wenden konnte. Doch Armstrong setzte voraus, dass alle wussten, dass ihre Angelegenheiten sich in der Schwebe befanden, bis sein Nachfolger ihn ablöste. Zum Glück hielt auch der Kongress sich bis Januar mit der Arbeit zurück, weshalb ihn seine Amtspflichten als Senator nicht sonderlich belasteten.
Die fünfte Aufgabe bestand daraus, zu Hause seinen Nachfolger zu installieren. Er hatte in North Dakota zwei Kundgebungen anberaumt, um den neuen Mann der Presse vorzustellen. Das musste ein visuelles Ereignis werden: Schulter an Schulter, viel Grinsen und Händeschütteln für die Kameras, während Armstrong einen metaphorischen Schritt zurücktrat und der Neue einen nach vorn machte. Die erste Kundgebung würde am zwanzigsten November stattfinden, die zweite vier Tage später. Beide waren lästige Pflichtveranstaltungen, denen er sich aus Loyalität der Partei gegenüber jedoch nicht entziehen konnte.
Die vierte Aufgabe war, dass er einiges dazulernen musste. Beispielsweise würde er dem Nationalen Sicherheitsrat angehören und dort mit Dingen konfrontiert werden, die der Juniorsenator aus North Dakota nicht wissen konnte. Ein CIA-Mitarbeiter war ihm als persönlicher Tutor zugeteilt worden, und Pentagon und Außenministerium würden ebenfalls Leute abstellen, die ihn einweisen sollten. Alles wurde so flexibel wie möglich gehandhabt, aber es bedeutete trotzdem viel Arbeit, die er neben seinen sonstigen Verpflichtungen zu erledigen hatte.
Ab der dritten Aufgabe begannen die Dinge ziemlich wichtig zu werden. Im ganzen Land gab es Spender, die den Wahlkampf finanziell unterstützt hatten. Den wirklich großen Geldgebern würde auf andere Weise gedankt werden, aber auch die Privatpersonen sollten an seinem Erfolg teilhaben. Deshalb hatte die Partei mehrere große Empfänge in Washington arrangiert, auf denen sich die Spender drängen und das Gefühl haben konnten, im Mittelpunkt zu stehen. Ihre örtlichen Wahlkomitees würden sie einladen hinzufliegen, sich fein zu machen und unter die Parteiprominenz zu mischen. Man würde sie vorerst im Unklaren darüber lassen, ob der neue Präsident oder der neue Vizepräsident ihr Gastgeber wäre. Tatsächlich war für drei Viertel dieser Veranstaltungen bereits Armstrong eingeplant.
Ab der zweiten Aufgabe wurden die Dinge tatsächlich wichtig. Sie bestand daraus, der Wall Street schönzutun. Ein Regierungswechsel bedeutete immer auch für die Finanzwelt einen Einschnitt. An sich gab es keinen Grund, weshalb der Übergang nicht nahtlos stattfinden sollte, aber zeitweilige Nervosität und Unsicherheit konnten sich unter Umständen rasch zu einer Lawine entwickeln, und labile Märkte waren Gift für eine Präsidentschaft. Deshalb wurde viel Mühe darauf verwandt, die Investoren zu überzeugen. Dafür war vor allem der designierte Präsident zuständig, der die einflussreichsten Finanzgrößen zu ausführlichen Gesprächen in Washington empfangen würde, aber Armstrong sollte sich mit der zweiten Garnitur in New York beschäftigen. Dazu waren in den kommenden zehn Wochen fünf Reisen nach New York angesetzt.
Armstrongs erste und wichtigste Aufgabe bestand jedoch in der Leitung des Übergangsteams. Die neue Regierung brauchte fast achttausend Mitarbeiter, von denen rund achthundert – darunter ungefähr achtzig in Spitzenpositionen – vom Senat bestätigt werden mussten. Es war Armstrongs Job, an ihrer Auswahl teilzunehmen und danach durch seine Verbindungen im Senat dafür zu sorgen, dass ihr Bestätigungsverfahren zügig ablief. Organisiert wurde der Übergang in einem Verwaltungsgebäude in der G Street, aber für Armstrong war es sinnvoll, ihn in seinem alten Büro im Senatsgebäude zu koordinieren. Diese Tätigkeit machte nicht viel Spaß und war Knochenarbeit, aber das bedeutete eben den Unterschied zwischen dem Mann auf dem ersten und dem zweiten Listenplatz.
Deshalb lief die dritte Woche nach der Wahl folgendermaßen ab: Armstrong verbrachte Dienstag, Mittwoch und Donnerstag in der Hauptstadt und arbeitete mit dem Übergangsteam zusammen. Da seine Frau einen wohlverdienten Nachwahlurlaub daheim in North Dakota machte, lebte er in
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