Tödliche Absicht
auf die Intelligenz des Absenders zu?«
Froelich musterte sie überrascht und mit einem gewissen Respekt.
»Dazu kommen wir noch«, sagte sie. »Und wir wissen ziemlich sicher, dass wir’s mit einem Er, nicht mit einer Sie zu tun haben.«
»Weshalb?«
»Dazu kommen wir noch«, wiederholte Froelich.
»Aber wieso macht Ihnen das Sorgen?«, fragte Reacher. »Das ist der zweite Punkt. Solche Leute bekommen doch bestimmt säckeweise Drohbriefe.«
Froelich nickte. »Normalerweise mehrere tausend im Jahr. Aber die meisten sind an den Präsidenten adressiert. Ein speziell an den Vizepräsidenten gerichteter Drohbrief ist eher ungewöhnlich. Die meisten sind auf Papierfetzen gekritzelt – mit Bleistift, Rechtschreibfehlern, Durchstreichungen –, haben also irgendwelche Mängel. Dieser nicht. Er fiel von Anfang an aus der Reihe. Deshalb haben wir ihn uns sehr genau angesehen.«
»Wo ist er aufgegeben worden?«
»In Las Vegas«, erwiderte Froelich. »Was uns nicht wirklich weiterhilft. In Bezug auf Amerikaner, die im eigenen Land verreisen, hat Vegas die meisten Durchreisenden von allen amerikanischen Großstädten.«
»Sind Sie sicher, dass der Absender Amerikaner ist?«
»Das ist eine Frage der statistischen Wahrscheinlichkeit. Wir haben noch nie einen Drohbrief von einem Ausländer erhalten.«
»Und Sie glauben nicht, dass er in Vegas wohnt?«
»Sehr unwahrscheinlich. Unserer Meinung nach ist er dorthin gereist, um den Brief aufzugeben.«
»Wieso?«, fragte Neagley.
»Aufgrund der Spurensicherungsergebnisse«, sagte Froelich. »Sie sind spektakulär. Sie lassen auf einen sehr überlegt und vorsichtig arbeitenden Mann schließen.«
»Details?«
»Waren Sie eine Spezialistin? Bei der Militärpolizei?«
»Sie war darauf spezialisiert, Leuten das Genick zu brechen«, sagte Reacher. »Aber ich vermute, dass sie sich nebenbei auch für den übrigen Kram interessiert hat.«
»Hören Sie nicht auf ihn«, sagte Neagley. »Ich war ein halbes Jahr zur Ausbildung in einem FBI-Labor.«
Froelich nickte. »Wir haben das hier ans FBI weitergegeben. Seine technische Ausrüstung ist besser als unsere.«
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Reacher stand auf und sah durch den Spion. Draußen stand der Zimmerkellner mit dem Kaffee. Reacher öffnete die Tür und nahm ihm das Tablett ab. Eine große Kanne, drei Tassen, keine Milch, kein Zucker, keine Löffel und eine einzelne rosa Rose in einer schlanken Porzellanvase. Er stellte das Tablett auf den Tisch. Froelich schob das Foto beiseite, um Platz zu schaffen. Neagley begann den Kaffee einzugießen.
»Was hat das FBI gefunden?«, fragte sie.
»Der Umschlag war clean«, antwortete Froelich. »Braunes Kraftpapier, Standardgröße mit Papprücken, gummierte Verschlussklappe, zusätzlich eine Metallklammer. Die Adresse war auf ein Selbstklebeetikett gedruckt, vermutlich mit demselben Drucker wie der Brieftext. Der Bogen war nicht gefaltet, die Verschlussklappe mit Leitungswasser angefeuchtet. Kein Speichel, keine DNA. Keine Fingerabdrücke an der Metallklammer. Auf dem Umschlag wurden fünf verschiedene Sätze von Fingerabdrücken gefunden. Drei davon gehören Postangestellten. Ihre Fingerabdrücke sind wie die aller Staatsbediensteten gespeichert. Das ist eine Voraussetzung für ihre Einstellung. Der vierte Satz stammt von einem Angestellten in der Poststelle des Senats und der fünfte von unserer Agentin, die den Brief geöffnet hat.«
Neagley nickte. »Den Umschlag können wir also vergessen, bis auf die Tatsache, dass die Verwendung von Leitungswasser ziemlich clever war. Der Kerl liest offenbar viel, hält sich auf dem Laufenden.«
»Was ist mit dem Brief selbst?«, fragte Reacher.
Froelich nahm das Foto vom Tisch und hielt es schräg ins Licht der Deckenlampe.
»Ziemlich verrückt«, entgegnete sie. »Das FBI-Labor hat festgestellt, dass es sich um Papier der Georgia-Pacific Company handelt: hochweißes, hundertzwanzig Gramm pro Quadratmeter schweres, ultraglattes, säurefreies Laserpapier in der Standardgröße zweihundertzehn mal zweihundertsiebenundneunzig Millimeter. Hierzulande ist Georgia-Pacific der drittgrößte Lieferant für Druckerpapiere. Die Firma verkauft jede Woche Hunderte von Tonnen. Deshalb ist ein einzelnes Blatt völlig anonym. Aber fünfhundert Blatt kosten ein bis zwei Dollar mehr als gewöhnliches Laserpapier, was bedeutsam sein könnte – oder auch nicht.«
»Und der Drucker?«
»Ein Laserdrucker von Hewlett-Packard. Das zeigt die
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