Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödliche Absicht

Tödliche Absicht

Titel: Tödliche Absicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
Vom Netzwerk:
anderer Mensch. Älter. Respekt einflößend. Seriöser. Mehr wie Joe.
    Er bückte sich und hob den unten im Kleiderschrank stehenden Karton auf. Das Ding war ziemlich schwer. Dann hörte er ein Geräusch von unten. Jemand klopfte an die Haustür. Er stellte den Karton zurück und rannte die Treppe hinunter. Öffnete die Haustür. Es war Froelich.
    »Ich hab Ihnen meinen Schlüssel gegeben«, sagte sie.
    Er trat zurück und ließ sie ein. Sie erstarrte, drückte die Haustür ins Schloss und lehnte sich dagegen. Starrte ihn einfach nur an. In ihrem Blick spiegelte sich etwas, das er nicht recht deuten konnte: Schock, Angst, Panik, Trauer. Er wusste es nicht.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Ich dachte, du wärst Joe«, sagte sie. »Nur eine Sekunde lang.«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie lehnte den Kopf an die Haustür. Sie blinzelte unter Tränen, sah ihn wieder an und begann zu schluchzen. Er verharrte einen Moment und schloss sie dann in die Arme. Sie ließ ihre Handtasche fallen und vergrub den Kopf in seiner Brust.
    »Tut mir Leid«, sagte er. »Ich hab seinen Anzug anprobiert.«
    Sie schwieg. Weinte nur.
    »Dumm von mir«, sagte er.
    Sie schlang die Arme um seinen Körper und hielt ihn umklammert. Er legte eine Hand auf ihren Rücken und strich mit der anderen über ihr Haar. So hielt er sie eine Weile an sich gedrückt. Dann löste sie sich aus seiner Umarmung und fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Nicht deine Schuld«, sagte sie.
    Er schwieg.
    »Du hast so wie er ausgesehen. Diese Krawatte hab ich ihm gekauft.«
    »Das war gedankenlos von mir«, sagte Reacher.
    Sie bückte sich nach ihrer Tasche, zog ein Papiertaschentuch heraus und putzte sich die Nase.
    »O Gott«, seufzte sie.
    »Tut mir Leid«, wiederholte er.
    »Macht nichts«, sagte sie. »Es geht schon wieder.«
    Er schwieg.
    »Du hast einfach toll ausgesehen«, sagte sie, »als du da so an der Tür gestanden bist.«
    Sie starrte ihn fasziniert an. Dann rückte sie seine Krawatte zurecht. Berührte den von ihren Tränen nassen Fleck auf seinem Hemd. Ließ ihre Finger am Revers seines Jacketts nach oben gleiten. Stellte sich auf die Zehenspitzen, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn.
    »So toll«, sagte sie und küsste ihn noch mal, heftiger.
    Er ließ sie einen Moment gewähren, bevor er ihren Kuss erwiderte. Leidenschaftlich. Ihre Zunge war flink. Sie schmeckte ein wenig nach Lippenstift. Er roch das Parfüm auf ihrer Haut und in ihrem Haar, spürte ihre Brüste an seinem Brustkorb, ihr Haar zwischen seinen Fingern. Ihre Hände in seinem Nacken waren kalt und in ständiger Bewegung. Seine Hand glitt über ihren Rücken nach oben. Dann hielt sie plötzlich inne. Befreite sich heftig atmend und mit geschlossenen Augen aus seinen Armen, berührte ihre Lippen mit dem Handrücken.
    »Das sollten wir nicht tun«, sagte sie.
    »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte er.
    Sie öffnete die Augen. Schwieg.
    »Was sollten wir dann tun?«, fragte er.
    Sie wich zur Seite aus, ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer. »Weiß nicht«, antwortete sie. »Zu Abend essen, nehme ich an. Hast du gewartet?«
    Er folgte ihr in den Raum. »Ja«, sagte er. »Das habe ich.«
    »Du bist ihm sehr ähnlich«, meinte sie.
    »Ich weiß.«
    »Verstehst du, was ich damit sagen will?«
    Er nickte. »Was du in ihm gesehen hast, siehst du jetzt in mir – zumindest teilweise.«
    »Aber bist du wie er?«
    Er wusste genau, was sie eigentlich fragen wollte: Hast du seine Ansichten geteilt? Hattet ihr den gleichen Geschmack? Habt ihr dieselben Frauen attraktiv gefunden?
    »Wie ich dir schon gesagt habe«, entgegnete er, »gibt es Gemeinsamkeiten und Unterschiede.«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Er ist tot. Das ist eine Antwort.«
    »Und wenn er’s nicht wäre?«
    »Dann wäre vieles anders.«
    »Nehmen wir mal an, ich hätte ihn nicht gekannt und wäre auf andere Weise auf deinen Namen gestoßen.«
    »Dann wäre ich vermutlich nicht hier.«
    »Und wenn doch?«
    Er sah sie an. Holte tief Luft und atmete dann langsam aus.
    »Nun, ich bezweifle, dass wir dann hier stehen und übers Abendessen reden würden«, erklärte er.
    »Vielleicht wärst du kein Ersatz«, sagte sie, »sondern das Original. Und Joe wäre eine Imitation gewesen.«
    Er erwiderte nichts darauf.
    »Das Ganze ist ziemlich seltsam«, sagte sie. »Wir dürfen es nicht tun.«
    »Nein«, sagte er. »Das dürfen wir nicht.«
    »Es ist schon lange her«, sagte sie. »Sechs Jahre.«
    »Mit Armstrong alles

Weitere Kostenlose Bücher