Tödliche Aktien
lang blieb ich neben ihr sitzen und versuchte, wieder zu Atem und zu Kräften zu kommen. Mir war erbärmlich kalt! Im Mondlicht konnte ich die Umgebung erkennen. Wir befanden uns auf einer Insel in einem Loch, der von Hügeln umgeben war. Kein Anzeichen für eine menschliche Ansiedlung. Die einzigen Lichter waren die Sterne am Himmel. Aber die Männer mußten das Auto auf einem Weg ans Wasser gefahren haben, und dieser Weg mußte zu einer Straße führen.
Wir konnten nicht die ganze Nacht auf der kleinen Insel bleiben. Rachel mußte warm eingepackt und ins Krankenhaus geschafft werden. Zitternd ließ ich uns also wieder ins Wasser gleiten und schwamm zum Ufer hinüber, wobei ich ängstlich darauf achtete, daß Rachels Kopf über Wasser blieb. Sie die steile Uferböschung hinaufzuziehen war ein hartes Stück Arbeit.
Wie ich vermutet hatte, befand sich oben ein Waldweg. Ich schauderte, als ich zurückblickte und im Loch den BMW zu entdecken suchte. Seine schwarzen Umrisse ließen sich in dem dunklen Wasser nicht ausmachen.
Ich nahm Rachel auf die Schulter und stapfte los. Sie war schwer in ihrer nassen Kleidung und ich müde und durchgefroren. Nach einem Zeitraum, der mir endlos erschien, erreichte ich den Waldrand und eine schmale Schotterstraße. Gebäude waren nicht zu sehen, aber in gut einem Kilometer Entfernung entdeckte ich eine Baumgruppe, die, wie ich hoffte, einen Hof verbarg. Deshalb hielt ich darauf zu.
Rachel lastete immer schwerer auf meinen Schultern, so daß ich sie kaum noch tragen konnte. Ich konzentrierte mich nur noch darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nach und nach verwandelte die Morgendämmerung die finstere Nacht in ein Hellgrau. Doch trotz der besseren Lichtverhältnisse konnte ich immer noch kein Gehöft oder ähnliches erkennen. Es dauerte ewig, aber irgendwann erreichte ich die Bäume, hinter denen sich dann doch ein Bauernhaus verbarg. Ich lehnte mich gegen die Klingel und hörte erst auf zu läuten, als jemand öffnete.
SIEBENUNDZWANZIG
Wir saßen in einem der Büroräume des Perth-Royal-Krankenhauses, ich in Krankenhauspyjama und Morgenmantel, Kerr mit bleischweren Augen, Donaldson, als wäre es neun Uhr am Montagmorgen und nicht Sonntag, sieben Uhr früh.
Rachel lag auf einer der Stationen an einem Beatmungsgerät.
Es stellte sich heraus, daß wir in einem Loch in den Bergen von Perthshire versenkt worden waren. Von Perth aus hatte man uns mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gefahren.
»Und Sie können uns wirklich keinen weiteren Hinweis geben? Nicht die kleinste Beschreibung?« fragte Donaldson erneut.
»Nein«, sagte ich ungeduldig. »Es waren zwei große Männer. Ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen.«
»Und die Kleidung? Haarfarbe? Stimmen?«
»Ich habe sie nichts sagen hören. Ich glaube, einer von den beiden hatte kurzes braunes Haar.«
»Keine Ahnung, was sie für ein Auto fuhren?«
»Nein, ich war betäubt.« Dann fiel mir etwas ein. »Gestern nachmittag, als wir von Glenrothes nach Hause gefahren sind, hatten wir den Eindruck, daß wir verfolgt wurden. Zwei Arbeiter in einem Lieferwagen. Aber sie fuhren an der Abfahrt Kirkhaven vorbei.«
»Immerhin etwas«, sagte Donaldson. »Können Sie den Lieferwagen beschreiben?«
»Es war ein weißer Astra.«
»Haben Sie die Autonummer?«
»Nein!« Ich wurde ungeduldig.
»Schon gut, schon gut. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, lassen Sie’s uns wissen«, sagte Donaldson.
»Hat doch keinen Zweck«, knurrte ich.
»Bitte?« fragte Donaldson scharf, und auch Kerr hob seine Augenbrauen.
Ich war erschöpft, machte mir um Rachel Sorgen und verlor allmählich die Geduld. »Sie tun nichts anderes, als mir Fragen zu stellen, ich beantworte sie, und dann wird wieder jemand umgebracht. Wie gesagt, ich glaub’ nicht, daß es Zweck hat, Ihnen noch irgendwas zu erzählen.«
Donaldson starrte mich an, dann erhob er sich wortlos und ging. Kerr rührte sich nicht vom Fleck.
Als Donaldson fort war, sagte Kerr: »Das war nicht in Ordnung, junger Mann. Wir tun unser Bestes.«
»Ich weiß«, sagte ich resigniert und schlürfte heißen Kaffee aus dem Becher, den ich in der Hand hielt. Kerr saß einfach da und wartete. Etwas sehr Menschliches, Tröstliches ging von diesem müden Polizeibeamten in seinem schlecht sitzenden Anzug aus. »Darf ich Sie was fragen?«
»Schießen Sie los!«
»Haben Sie Yoshi Ishidas Geschichte überprüft?«
»Haben wir. Er sagt die Wahrheit. Der Inhaber von Robbers’ Arms bestätigt,
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