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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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all das zu verwirklichen, was er sich vorgenommen hatte, glaubte ich noch immer, obwohl mich die ungeheuren Innovationen, die er nicht einmal seinem Bruder erklären durfte, doch etwas nachdenklich stimmten. Wenn er doch nur ein bißchen Vernunft gezeigt und das Geld, das er aufgenommen hatte, besser zusammengehalten hätte!
    Als Richard am nächsten Morgen in aller Frühe aufstand, um sein Flugzeug nach Edinburgh zu bekommen, war ich noch immer wütend auf ihn. Was er zum Abschied sagte, als er in der Tür stand, machte die Sache nur noch schlimmer.
    »Karen ist sehr attraktiv, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte ich mit einem Unterton von Stolz in der Stimme.
    »Nimm dich vor ihr in acht, kleiner Bruder!« Damit wandte er sich um und trat auf die noch frühmorgendlich leere Straße hinaus.
    Ich stand wie angewurzelt. Dieses überhebliche Arschloch!
    Karen hatte ihre Lebensversicherung beliehen, um ihm aus der Patsche zu helfen, und er hatte ihr Geld verpulvert. Und gestern abend war nicht sie wütend auf ihn gewesen, sondern ich! Ich hatte jedes Recht der Welt, auf ihn sauer zu sein, und er nicht das geringste, so über sie zu reden.
    Geräuschvoll beförderte ich das Geschirr vom Abend zuvor ins Becken und machte mich an den Abwasch. Doch tief verborgen unter allem Ärger nagte etwas an mir, eine Wahrheit, die sich nicht zum Schweigen bringen ließ. Das machte mich nur noch wütender.
    Solange ich mich erinnern kann, hat mein Bruder in solchen Dingen immer recht behalten.
    VIER
    Karen und ich hatten viel zu tun. Noch immer rutschten die Kurse, aber langsamer, übersichtlicher. Ein Baissemarkt begann sich abzuzeichnen. Dagegen hatte ich nichts. Auf einen solchen Markt konnte ich mich einstellen. Ich vergewisserte mich, daß alle meine Positionen abgesichert waren. Für jede Anleihe, die ich kaufte, setzte ich den Leerverkauf einer anderen. Einen sogenannten Leerverkauf vornehmen oder short gehen heißt, daß man eine Anleihe verkauft, die man gar nicht hat. An Rentenmärkten ist das erlaubt – eine sehr nützliche Einrichtung. In einem fallenden Markt verliert man dann zwar Geld an den Anleihen, die man besitzt, kann es aber mehr als wettmachen durch die Gewinne, die man erzielt, indem man die per Leerverkauf veräußerten Anleihen zurückkauft. Das geht natürlich nur, wenn man sich gleich für die richtigen Anleihen entscheidet.
    Nun, es sah so aus, als hätten Greg, Ed und ich auf die richtigen Anleihen gesetzt. Mein Abschluß mit den zweijährigen und zehnjährigen Anleihen entwickelte sich zwar erst langsam in die richtige Richtung, aber ich war sehr zuversichtlich. Gregs Achtprozentige von einundzwanzig schossen in die Höhe oder fielen zumindest sehr viel langsamer als die Anleihen, mit denen er short gegangen war. Trotzdem saßen wir beide weiterhin tief in den Miesen. Bob war immer noch skeptisch, ließ uns aber Zeit.
    Karen umgarnte ihre Kunden. Mit einem ging sie am Donnerstag abend aus, mit einem anderen wollte sie sich am Montag in Paris treffen. Das nahm sie zum Anlaß, um dort das Wochenende bei einer Freundin zu verbringen, die sie bei einem Schüleraustausch kennengelernt hatte. Die Freundin hatte nie richtig Englisch gelernt, und mein Französisch ist kläglich, deshalb war ich nicht eingeladen. Unser Tennisspiel fiel damit ins Wasser. Aber das machte nichts. In Newmarket gab es ein interessantes Pferderennen, zu dem ich gern fuhr.
    Am Montag kam Karen erst mit einem späten Flug zurück. So war sie nicht vor zehn zu Hause. Ich schenkte ihr ein Glas Wein ein, und wir setzten uns oben aufs Sofa.
    »War’s schön?«
    »Großartig!« sagte sie begeistert.
    »Wie geht’s Nicole?«
    »Gut. Sie glaubt, daß Jacques endlich der Richtige für sie ist.«
    »Und was glaubst du?«
    Karen kicherte und zeigte mit dem Daumen nach unten. »Zu langweilig.«
    »Aber doch hoffentlich nicht so langweilig wie ich?«
    »Nicht doch, Liebster, nicht annähernd so langweilig. Keine Sorge. Wie war es in Newmarket?«
    »Gar nicht so schlecht. Nur zwanzig Mäuse verloren. Nächsten Samstag fahr’ ich mit Greg nach Ascot. Willst du mit?«
    »Tut mir leid. Ich wäre gern mitgekommen, aber nächstes Wochenende muß ich wirklich zu meiner Mutter. Sie hat darauf bestanden. Willst du mit?« Sie lachte. Die Antwort kannten wir beide. Karens Mutter war eine anmaßende, nervöse Person, die sich ständig über irgendwas Sorgen machte, vor allem über ihre Tochter. Noch immer wohnte sie in dem Einfamilienhaus am Stadtrand von Godalming,

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