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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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draußen. Verzweifelt und krampfhaft würgend, schnappte ich nach Luft. Schließlich richtete ich mich auf und wollte noch einmal hinein, aber ich konnte es nicht.
    Ich atmete tief durch und ging unsicheren Schrittes zur Straße. Beim ersten Haus am Ende einer Steinterrasse klingelte ich. Als sich nichts rührte, hämmerte ich mit dem Klopfer auf die Tür ein und hörte erst auf, bis sich drinnen eine unwirsche Stimme meldete.
    »Wer is’ da? Was is’n los?«
    »Ich bin der Bruder von Richard Fairfax«, brachte ich hervor, »dem Mann, der in Inch Lodge wohnt. Er ist tot. Ich muß die Polizei anrufen.«
    Die Tür öffnete sich, und ich sah einen untersetzten, kahlköpfigen Mann vor mir, mit einem altmodischem Morgenmantel über seinem Pyjama. Er hatte offensichtlich keine Zähne im Mund.
    »Kommen Sie rein. Das Telefon ist da drüben.«
    Ich wählte 999 und beantwortete all die Fragen, die der Beamte am Telefon mir stellte. Als ich mich wieder umwandte, sah ich, daß sich die Dame des Hauses zu uns gesellt hatte. Auch sie ohne Gebiß.
    »Ach Gott, Sie sehn ja schlimm aus. Setzen Sie sich erst mal hin! Ich mach’ Ihnen ’nen Tee.«
    Ich setzte mich an den Küchentisch. »Nein, hiervon braucht er jetzt ordentlich was«, sagte ihr Mann, und einen Augenblick später stand ein Wasserglas vor mir, halb gefüllt mit goldgelber Flüssigkeit. Ich nahm einen kräftigen Schluck. Beißend rann mir das Getränk durch die Kehle und brannte wie Feuer im Magen. Trotzdem kippte ich auch den Rest hinunter.
    Wenig später läutete es an der Tür, und ein Polizeibeamter trat ein, ein kleiner, hagerer Sergeant mit schmalem Schnurrbart und durchdringendem Blick. Er sah mich an und fragte knapp, aber freundlich: »Mark Fairfax?«
    Ich nickte.
    »Ich bin Sergeant Cochrane. Sie haben gesagt, Ihr Bruder ist ermordet worden?«
    »Ja.«
    »Wo ist er?« fragte der Polizist behutsam.
    »Soll ich es Ihnen zeigen?«
    Cochrane nickte. Wir gingen hinaus, wo vier weitere Beamte warteten. Ich führte sie an der Rückseite des Hauses vorbei zum Bootsschuppen. Das letzte Stück ließ ich sie allein gehen. Ich konnte mich dem Schuppen nicht nähern.
    Einen Augenblick später kam Cochrane wieder heraus. Selbst in der Dunkelheit konnte ich erkennen, daß er leichenblaß war. Feuchte Perlen hingen an seinem Schnurrbart.
    »Tut mir leid, Mr. Fairfax. Das ist ja grauenhaft dort drinnen. Lassen Sie uns wieder zu den MacAllisters gehen.«
    Er nahm mich am Arm und führte mich zum Häuschen der Nachbarn. Der Mann hatte sich Hemd und Hose angezogen. Die Frau machte sich in der Küche zu schaffen. Inzwischen hatten beide ihr Gebiß eingesetzt. Freundlich forderten sie uns auf, am Küchentisch Platz zu nehmen.
    Rasch stellte mir der Sergeant eine Reihe von Fragen: Wann ich den Leichnam gefunden hätte und wo, woher ich gekommen sei, ob ich jemanden gesehen und ob ich etwas angefaßt hätte. Dann bat er mich zu warten, bis die Kriminalpolizei da sei.
    Ich saß am Tisch, trank eine Tasse Tee nach der anderen, während Mrs. MacAllister sich rührend um mich kümmerte und von Zeit zu Zeit den Kopf zur Tür hinaussteckte, um die Ereignisse mit Nachbarn zu erörtern. Mr. MacAllister sprach fleißig der Medizin zu, die er mir verordnet hatte. Ich rührte keinen Whisky mehr an, denn ich wollte Ordnung in den wilden Aufruhr meiner Gedanken bringen.
    Ich war wie betäubt und bekam nur verschwommen mit, was um mich her vorging und was draußen auf der Straße geschah, wo geschäftiger Lärm herrschte.
    Richard war tot.
    Ich konnte es nicht begreifen. Alles erschien mir unwirklich, wie ein Fernsehfilm, den man nachts von der Diele aus in einem dunklen Zimmer sieht.
    Plötzlich wurde mir bewußt, daß mir gegenüber am Küchentisch jemand saß. Der Mann sah zerknittert aus und trug einen schäbigen braunen Anzug mit einem braungelb gemusterten Schlips. Die Haare waren lang und fettig, der Schnurrbart hätte dringend geschnitten werden müssen. Über Kragen und Gürtel quoll das Fett in dicken Wülsten. Auf seiner fleischigen Nase zeichnete sich ein kompliziertes Netz von Äderchen ab. »Mr. Fairfax«, sagte er, »kann ich Sie einen Augenblick sprechen?«
    Auch er stellte mir eine Reihe von Fragen. Die gleichen wie der Sergeant zuvor, und auch sein Ton war freundlich und rücksichtsvoll. Vermutlich habe ich ihm gehorsam Rede und Antwort gestanden, aber erinnern kann ich mich nur noch an das Muster auf seiner Nase.
    Schließlich fragte er: »Haben Sie schon eine Unterkunft für

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