Tödliche Aktien
Erschreckende war, daß es mir gar nicht so weit hergeholt erschien. Einen Augenblick schwieg ich.
»Okay, ich kann verstehen, daß Sie gegen VR sind. Doch was hat das mit der Forderung zu tun, daß die Öffentlichkeit keinen Zugang zu ihr haben soll?«
»Ich würde gern jedes VR-Gerät auf der Welt zerstören und verhindern, daß neue gebaut werden«, sagte Doogie. »Aber das läßt sich leider nicht machen. VR gibt es nun einmal, und wir können es nicht ungeschehen machen. Doch wenn wir erreichen, daß es nur in die Hände von Menschen gelangt, die es beruflich verwenden, dann verhindern wir vielleicht, daß es die Menschen verdummt. Und das ist die eigentliche Zielsetzung von BOWL.«
»Verstehe. Und wer ist BOWL?«
Doogie zögerte. »Wir sind eine Gruppe von Leuten, die erkannt haben, was auf uns zukommt, und denen das nicht gefällt.«
»Gibt es eine Organisation? Einen Leiter?«
»Nein, aber wir halten Verbindung.«
Ich nickte in Richtung Computer. »Damit?«
Er zuckte mit den Achseln.
»Und befürwortet BOWL Gewalt als Mittel zur Durchsetzung seiner Ziele?«
Bei dieser Frage blickte ich Doogie direkt in die Augen. Er hielt meinem Blick stand. Noch immer brannte in seinen dunklen Augen dieses radikale Feuer. »Das muß jedes Mitglied für sich entscheiden«, sagte er.
»Und Sie? Würden Sie notfalls zur Gewalt greifen, um VR zu stoppen?«
Einen Augenblick schwieg Doogie. Er blickte zum Kaminsims hinüber, zu dem Paar auf der Fotografie. »Manchmal muß man Gewalt anwenden, um zu beschützen, was einem gehört. Woran man glaubt.« Seine Stimme hob sich. »Staaten, Industrien, Großunternehmen benutzen Menschen, ganz gewöhnliche Menschen. Und wenn sie zu nichts mehr nutze sind, schmeißen sie sie auf den Müll. Jahrhundertelang haben sie das mit unseren Körpern getan. Jetzt fangen sie an, ihr beschissenes Spiel mit unserem Bewußtsein zu treiben. Sie können sich drauf verlassen, daß ich dagegen kämpfen werde. Und zwar auf jede nur erdenkliche Weise.«
Er unterbrach sich. Als er fortfuhr, hatte er sich wieder im Griff. »Nun, Sie haben mich gefragt, was ich von Virtueller Realität halte. Jetzt wissen Sie es. Und? Werden Sie dafür sorgen, daß die Geräte nicht allgemeine Verbreitung finden? Sie wissen ja, ich habe diesen Brief noch immer.«
Herausfordernd, höhnisch sah er mich an.
»Was hat Richard geantwortet?«
»Gar nichts.«
»Hat er überhaupt mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Nein, ich habe kein Wort von ihm gehört«, murmelte Doogie. »Aber das hat mich nicht überrascht.«
»Und Sie haben sich nicht irgendwo mit ihm getroffen, um die Sache zu besprechen? In Kirkhaven zum Beispiel?«
Verächtlich blickte er mich an. »Diesen ganzen Scheiß habe ich mir grade von der Polizei anhören müssen. Von Ihnen muß ich mir das nicht sagen lassen. Ich hab’ ihn nicht umgebracht, und ich hab’ das Feuer nicht gelegt.« Er hielt inne und lächelte. Es war ein häßliches, unangenehmes Lächeln. »Aber wissen Sie was, ich bin froh, daß er tot ist. Ich bin froh, daß diese widerliche kleine Firma den Bach runtergeht. Er hat mich vollgelabert mit diesem ganzen Scheiß von einer kleinen Gruppe begabter Wissenschaftler, die Neuland erobern wollten. In Wirklichkeit wollte er nur einen Haufen Geld machen wie all die andren Arschlöcher. Ihm war es scheißegal, daß VR unsere Gesellschaft vergiften und Millionen Menschen verblöden würde.«
Das reichte. Ich sprang auf die Füße. »Unterstehen Sie sich, so von meinem Bruder zu sprechen! Er war …«
Plötzlich war ein dumpfes Knurren neben mir zu hören. Der Hund hatte sich ebenfalls erhoben, das Fell gesträubt, die mörderischen Zähne entblößt.
Ich wagte mich nicht zu rühren.
Doogie grinste. »Platz, Hannibal!« befahl er. »FairSystems ist erledigt. Damit sollten Sie sich abfinden. Am besten, ihr beiden schiebt jetzt ab zu eurer beschissenen Fabrik, solange sie noch steht.«
Vorsichtig stand Rachel auf und ging aus dem Zimmer. Ich folgte ihr, ohne den Hund aus den Augen zu lassen.
»Haben Sie gehört, was er über Richard gesagt hat?« sagte ich, als wir die Treppe hinuntergingen. »Dieser Hundesohn!«
»Er haßt die ganze Welt«, sagte Rachel.
»Und sein Hund ist mir auch nicht besonders sympathisch.«
Rachel schauderte. »Einmal hat er Keith gebissen. Nur ein bißchen zugeschnappt. Die Narbe hat er heute noch.«
»Eines kann ich Ihnen sagen. Wir kümmern uns einen Dreck um seine Forderungen. Von mir aus kann er mit diesem
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