Tödliche Aktien
daß ein großer Aktionär an viele kleine Käufer verkauft oder daß jemand ein großes Paket von vielen kleinen Verkäufern zusammenkauft. Normalerweise bewirken Verkäufe eines Großaktionärs einen Kursrückgang, während stetige Käufe eines einzelnen Aktionärs zu einem Anstieg führen.«
»Also gibt es einen großen Verkäufer?« fragte ich.
»Vielleicht. Nach diesem Diagramm würde ich vermuten, daß wir es mit zwanzig bis dreißig Prozent eines einzelnen Investors zu tun haben, der entweder kauft oder verkauft. Wer hat einen solch großen Anteil?«
Ich überlegte. »Damals nur Richard. Und ich weiß, daß er keine einzige Aktie verkauft hat. Auf jeden Fall hatten sich alle bisherigen Aktionäre zu dem Zeitpunkt, als FairSystems an die Börse ging, schriftlich verpflichtet, ihre Anteile zwei Jahre lang nicht zu verkaufen.«
»Gut, wenn wir keinen großen Verkäufer haben, dann muß es einen großen Käufer geben.«
»Müßte sich das nicht im Aktienbuch niederschlagen? Müssen Investoren nicht der Börsenaufsicht mitteilen, wenn sie einen Anteil von zehn Prozent erworben haben?«
»Schon bei fünf Prozent«, sagte Steve. »Theoretisch haben Sie recht, aber praktisch läßt sich das leicht verheimlichen, besonders wenn Ihr Broker ein Auge zudrückt. Dann kann die Börsenaufsicht nicht viel tun.«
»Und Sie glauben, Wagner Phillips würde das tun?«
Steve lachte ironisch. »Jedenfalls würde es zu deren Ruf passen.«
»Also, wie erklären Sie sich den Kursverfall? Würden solche Käufe den Kurs nicht nach oben treiben?«
»Er muß manipuliert sein«, sagte Steve. »Wagner Phillips muß den Kurs im Interesse dieses bevorzugten Käufers künstlich gedrückt haben. Wahrscheinlich veranlaßt die Firma ihre Kunden durch Schauermärchen zum Verkauf.«
»Und warum sollte Wagner Phillips das tun?«
»Kommt drauf an, wer der Käufer ist. Eine Hand wäscht die andere.«
»Sind Sie sicher, daß der Preisverfall nicht einfach daher kommt, daß die Aktionäre plötzlich Angst hatten, FairSystems könnte pleite gehen?«
»Hätten sie denn Grund dazu?« fragte Steve.
»Möglicherweise.«
»Aber es gibt keine öffentlichen Informationen, die sie zu dieser Auffassung bringen könnten?«
»Nein. Die einzige schlechte Nachricht war Richards Tod, aber wir reden über die Kursbewegungen vorher.«
»Na ja, die Investoren könnten plötzlich kalte Füße bekommen haben, aber nicht ohne entsprechende Hinweise, wahrscheinlich von Wagner Phillips. Und diese Volumina lassen darauf schließen, daß jemand einen Haufen Aktien gekauft hat. Nein, ich würde darauf wetten, daß der Kurs Ihrer Aktien zugunsten eines bestimmten Käufers manipuliert worden ist.«
»Und wie können wir herausfinden, wer der Käufer ist?«
»Ich werde ein bißchen herumtelefonieren. Wenn ich etwas höre, melde ich mich bei Ihnen.«
»Danke, Steve.«
»Oh, und warum versuchen Sie Ihr Glück nicht bei der hinreißenden Karen Chilcott? Sie hat einen guten Draht zu den amerikanischen Märkten. Sie kennen Sie doch, oder?«
»Ja«, sagte ich und mußte ein Lächeln unterdrücken.
Ich ging zu Karen hinüber. Sie füllte einen Orderzettel aus. Wieder ein paar Aktien verkauft, wieder eine Kommission verdient.
»Verdammtes Arschloch!« Jack Tenko knallte den Hörer auf die Gabel. »He, Karen! Forrester hört doch auf Sie. Können Sie ihn nicht dazu kriegen, daß er uns bei unseren Abschlüssen eine vernünftige Obergrenze einräumt?«
Karen beachtete ihn nicht.
»Hören Sie, Karen! Wir wissen doch alle, daß er auf Ihren süßen Arsch scharf ist.« Seiner Brust entrang sich ein gequälter Pfeifton. Vermutlich sollte es ein Lachen sein.
»Jack«, sie lächelte ihn liebenswürdig an, »wenn ich Bob Forrester wäre, würde ich Sie höchstens mit zwei Päckchen Smarties am Tag handeln lassen. Lassen Sie sich den Preis doch mal geben.«
Ich beobachtete Tenko. Er zuckte mit den Achseln. »Was haben Sie denn für ’n Problem?« fragte er und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu.
Sally, die zwischen uns saß, unterdrückte ein Kichern.
Karen sah hoch und grinste, als sie mich sah. »Mein Gott, man sollte meinen, er müßte irgendwann die Nase voll haben. Und was machst du hier?«
In der Regel vermieden wir jeden Kontakt in der Firma. »Steve Schwartz hat gesagt, ich soll mit dir reden.«
Ich erläuterte ihr Steves Theorie. Sie runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Leider unterscheiden sich diese wissenschaftlichen Analysen meist nicht
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