Tödliche Aktien
würde. Klar, er würde vorsichtig sein, aber das ist für Anfänger immer der richtige Weg.
Dann rief ich Sorenson an, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen.
»Freut mich zu hören«, sagte er. »Können Sie nächsten Montag hiersein?«
»Ich werde dasein.«
»Sehr schön. Wir brauchen Sie.«
Als ich auflegte, lächelte ich. Zwar wußte ich, daß er mir nur Mut machen wollte, aber er hatte damit Erfolg.
Ich wollte die Gelegenheit benutzen, um etwas mehr über die Preisbewegungen der FairSystems-Aktien in den letzten Monaten herauszufinden. Richard hatte es für wichtig gehalten, und auch Donaldson nahm es ernst. Zwar hatte Karen aus der Gerüchteküche des Marktes nichts erfahren können, aber es gab noch einen Menschen, bei dem ich mein Glück versuchen konnte.
Steve Schwartz saß nur ein paar Arbeitsplätze von Karen entfernt. Er war ein Amerikaner mit krausem Haar, einem dicken Bauch und mehreren Doppelkinnen. In New York hatte er für Harrison Brothers die Aktien kleinerer Gesellschaften gehandelt, bevor er nach London gekommen war, um dasselbe mit den Aktien kleiner europäischer Unternehmen zu tun. Obwohl er schon mehr als ein Jahr in London lebte, hatte er sich noch nicht an die merkwürdige europäische Art gewöhnt, mit solchen Aktien umzugehen.
Ich erzählte ihm, worum es ging, und er freute sich, mir helfen zu können. Es war für ihn eine Gelegenheit, sich wieder einmal auf vertrautem Gelände zu bewegen. Aufmerksam sah er sich eine Kopie von Richards Analyse an.
»Faszinierend«, sagte er. »So etwas hat meines Wissens noch niemand gemacht.«
»Macht es denn Sinn?«
Er überlegte einen Augenblick. »Ich nehme an. Er hat das Verhältnis von Kurs und Umsatzvolumen bei FairSystems-Aktien mit den entsprechenden Verhältnissen bei ähnlichen Unternehmen im letzten halben Jahr verglichen. Dabei kommt er offenbar zu dem Ergebnis, daß auf den Kurs seiner Aktien mit neunundneunzigprozentiger Wahrscheinlichkeit Einflüsse einwirken, die nichts mit dem normalen Verhalten des Aktienmarktes zu tun haben.« Wieder betrachtete er die Graphik längere Zeit. »Wow! Kann ich das haben?«
»Ich gebe Ihnen eine Kopie.«
»Gut. Ich würde das gerne an einigen von meinen Aktien ausprobieren.«
»Und? Hat er recht? Ist da irgendwas merkwürdig an dem Handel mit FairSystems-Aktien?«
»Hiernach schon«, sagte Steve und tippte auf Richards Papiere. »Aber sehen wir es uns doch mal an.«
Als er einige Tasten des vor ihm stehenden Bloomberg-Computers drückte, erschien eine komplizierte Graphik auf dem Bildschirm. Leise pfiff er durch die Zähne.
»Mann, das ist ja irre!«
»Was ist irre?« Ich war daran gewöhnt, komplizierte Diagramme zu lesen, aber hier ging es um Aktien, nicht um Anleihen.
»Sehen Sie selbst.« Er zeigte auf die Graphik. »In den ersten Wochen haben sich die Aktien wirklich gut gemacht. Bei beachtlichem Umsatzvolumen ist der Kurs um zwanzig Prozent gestiegen, von zehn Dollar auf zwölf. Das war im letzten November. Bis Februar dann keine Bewegung.« Er zeigte auf einen flachen Kurvenverlauf im Bereich der Zwölfdollarmarke. »Nun, keinerlei Aktivität bei einem Aktienkapital von dieser Größe ist nicht überraschend. Das ist die Norm.
Im Februar kamen die Aktien dann ins Rutschen. Sehen Sie?« Tatsächlich zeigte die Graphik, daß der Kurs bis Mitte April von zwölf auf sechs Dollar gefallen war. Dann hatte er nochmals um anderthalb Dollar nachgegeben. »Welche Ereignisse könnten dafür verantwortlich sein?«
»Überhaupt keine. Natürlich abgesehen von Richards Tod. Der würde den letzten Kursrückgang erklären.«
»Nur, merkwürdig ist der Kursverfall von Februar bis April. Die Zahlen für das Umsatzvolumen sind ungewöhnlich. Sehen Sie sich dies hier an.« Er zeigte auf eine Reihe von Balken unter dem Diagramm. »Diese Volumina sind hoch für ein so kleines Aktienkapital. Bei dieser Kursbewegung und praktisch nur einem Broker würde man mit sehr viel geringeren Volumina rechnen. Gucken wir uns mal die Prints an.«
»Die Prints?«
»Ja. Hier, dieser Bildschirm zeigt die Größe jedes Print, das heißt jeder Transaktion. Sehen Sie, bei fast allen geht es nur um ein paar hundert, allenfalls um ein- oder zweitausend Aktien. Und jedesmal ist Wagner Phillips der Makler.«
»Also, was passiert da?«
Er lehnte sich zurück und strich sich übers Kinn. Die Entschlüsselung von Kursbewegungen war seine Spezialität. Ich wartete.
»Nun, ein Umsatzvolumen wie dieses bedeutet entweder,
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