Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
Vom Netzwerk:
versucht, mir zu folgen. Er lauerte irgendwo und beobachtete mich.
    In der Höhle war es finster. Auf der Suche nach der Schriftrolle tastete ich mich durchs Halbdunkel. Das war ziemlich unangenehm, weil ekliges Getier über den Boden krabbelte und mir Fledermäuse ins Gesicht flatterten, wenn ich sie aufschreckte. Schließlich fand ich die Pergamentrolle in einer alten Kiste.
    Und nun? Wie kam ich zurück zum Boot? Irgendwo da draußen war Alex und wartete auf mich. Ich beschloß, auf meine größere Geschwindigkeit zu setzen, in der Hoffnung, daß er sich nicht rasch genug durch den Dschungel bewegen konnte, um mir den Weg abzuschneiden. Also lief ich zurück zum Fluß, und zwar zu einem Punkt, der etwa zweihundert Meter links vom Ort der ersten Durchquerung lag. Ich schwamm ans andere Ufer und eilte auf einem schmalen Pfad in den Dschungel hinein. Zwar konnte ich Alex nicht sehen, dennoch bewegte ich mich aber im Laufschritt vorwärts. Laut klangen mir die eigenen Atemzüge im Ohr, und mein Tempo ließ nach. Ich wurde müde. Also ging ich einige Zeit. Möglicherweise brauchte ich meine Kräfte noch für den Endspurt zum Boot. Ich erreichte den Strand, der, von Treibholz und einigen Kokosnüssen abgesehen, leer schien. Ich lief zum Boot, das noch rund hundert Meter entfernt war, und blickte nach rechts zum Waldrand hin.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr. Als ich herumfuhr, stand er direkt vor mir, neben einem Haufen aus Treibholz, das Entermesser in der Hand. Mist! Er mußte sich hinter dem Holzhaufen versteckt haben.
    Er hieb auf mich ein, und ich konnte gerade noch ausweichen. Nun stieß ich meinerseits zu. Jetzt ging alles sehr schnell. Alex war außerordentlich flink. Als ich mir eine Blöße gab, nutzte er sie sofort. Ich sah den Sand auf mich zustürzen, und dann wurde alles schwarz.
    Beeindruckt nahm ich die Datenbrille ab. »Puh!« sagte ich und spürte mein Herz rasen. Das Hemd klebte mir am Körper. Ich hatte schon einige Computerspiele ausprobiert und sie nur mäßig unterhaltsam gefunden. Etwas Derartiges hatte ich noch nie erlebt.
    Auch Alex nahm die Datenbrille ab. Er grinste übers ganze Gesicht. »Nicht schlecht gespielt!«
    »Ich hab’ Ihnen gesagt, daß er gut ist«, meinte Rachel zu mir. »Wie hat es dir gefallen, Alex?«
    »Gar nicht so übel«, sagte er. »Es gefällt mir. Das Laufen ist außerordentlich realistisch. Ja, es ist gut. Kann ich es behalten?«
    »Klar«, sagte sie.
    Wir blieben den ganzen Nachmittag und gingen erst um sieben. Wir fuhren direkt zu David Bakers Dinner.
    »Mein Gott«, sagte ich, als wir im Auto saßen. »Er ist so jung. Es muß schrecklich sein für ihn. Und für Sie.«
    Rachel nickte. »Ich tu’, was ich kann, mit der Virtuellen Realität. Ich glaube, es hilft. Ich weiß nicht. Ich hoffe es jedenfalls.«
    Ich hoffte es auch.
    David Bakers Wohnung lag in einer eleganten halbmondförmigen Häuserreihe in der New Town von Edinburgh. Es war eine von zwei Wohnungen in der zweiten Etage eines prächtigen georgianischen Gebäudes. David selbst kam an die Tür.
    »Ah, Sie kommen zusammen«, sagte er betont beiläufig. »Das ist vernünftig.« Ich fragte mich, ob er eine ihm feindlich gesinnte Allianz von Rachel und mir befürchtete. Wenn dies der Fall war, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. »Hereinspaziert! Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?«
    Eingerichtet war die hübsche Wohnung mit den mehr oder weniger zufällig zusammengekauften Stücken, die sich ein Paar in den ersten Jahren der Ehe anschafft. In der Regel kommen noch ein, zwei schönere Stücke hinzu, denen dann ein Ehrenplatz eingeräumt wird. Bei den Bakers war dies ein glänzend polierter antiker Eßtisch, der für sechs Leute gedeckt war.
    Außer Willie waren noch zwei Frauen anwesend, die ich nicht kannte. »Darf ich bekannt machen«, sagte David. »Annie Granger …« Ich nickte der jungen Frau zu. Sie war dünn, wirkte etwas linkisch, trug eine Brille und hatte ein verschmitztes Lächeln. War sie Willies Freundin oder nur eine Verabredung zum Dinner? Er saß ziemlich hölzern neben ihr, aber das war einfach seine Art und verriet nichts darüber, wie er zu ihr stand.
    Da Karen verhindert war, hatte ich keine Begleitung. Rachel ebenfalls nicht. Gab es irgendwo einen Mann in ihrem Leben? Interessante Frage.
    »Meine Frau Pat.«
    Eine hochgewachsene Frau mit langen roten Haaren und grünen Augen. Sie trug einen langen Rock und eine blaue Seidenbluse über einem weißen T-Shirt.

Weitere Kostenlose Bücher