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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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eines Flachdachhauses, fünf Minuten vom Werk entfernt.
    Sie stieg aus. »Danke fürs Mitnehmen.«
    »Rachel«, rief ich ihr nach. Sie blieb stehen. »Danke, daß Sie mich zu Alex mitgenommen haben.«
    Sie lächelte mir flüchtig zu, und fort war sie.
    Den Sonntag verbrachte ich in Richards Haus in dem stillen schottischen Fischerdorf, das seine Heimat geworden war. Als ich in seinem Wohnzimmer saß und die Bücher über Computer und Virtuelle Realität las, hatte ich den Eindruck, er stünde neben mir, sähe mir über die Schulter und würde mir gleich irgendeinen Punkt erklären, den ich nicht verstand. Das war nicht unangenehm. Auf eine bittersüße Art empfand ich dieses Gefühl sogar als tröstlich. Seit seinem Tod hatte ich mich ihm nicht mehr so nah gefühlt. Obwohl ich nun mehr oder weniger in seinem Haus wohnte, fühlte ich mich immer noch als Besucher. Ich schlief in dem kleinen Gästezimmer im hinteren Teil des Hauses und hatte bisher kaum irgendwelche Möbel verrückt.
    Nach dem Mittagessen ging ich über die Brücke und zu dem kleinen Friedhof, wo ich ihn begraben wollte. Wohl eine Stunde blieb ich dort sitzen, lauschte dem Plätschern des Inch und hörte dahinter das gedämpfte Brandungsgeräusch der Nordsee. Die Narzissen begannen zu welken, dafür blühten jetzt die Bäume, die das Flüßchen säumten. Im Gesicht spürte ich die schwache Wärme der Maisonne, während die frische Brise dafür sorgte, daß ich meinen Pullover anbehielt.
    Ich erinnerte mich an den kleinen Strand in Cornwall, an dem wir während unserer Kindheit jedes Jahr die Ferien verbracht hatten. Er lag in einer verschwiegenen Bucht, zwischen hochragenden, zerklüfteten Klippen. Die Küste steckte voller aufregender Überraschungen – wassergefüllte Felsenlöcher, große Steinbrocken, die zum Klettern verlockten, sogar Höhlen. Richard und ich verbrachten ebensoviel Zeit damit, in den Klippen herumzuturnen wie im Meer zu baden.
    Eines Tages war ich bei Ebbe auf einem schmalen Streifen Sand um die Felsbiegung gewandert, so daß man mich von der Bucht aus nicht mehr sehen konnte. Dort entdeckte ich, zwischen den Felsen verborgen, eine herrliche Höhle und brachte den halben Nachmittag damit zu, sie zu erkunden. Als ich wieder zurückwollte, war mir der Weg versperrt. Mit der auflaufenden Flut krachten jetzt Brecher gegen die Felswände, die ich noch vor wenigen Stunden zu Fuß umrundet hatte. Der schmale Sandstreifen war längst verschwunden. Ich geriet in Panik. Verzweifelt weinte ich, schrie und fühlte mich entsetzlich allein. Ich kletterte die Klippen so hoch hinauf, wie es ging, rollte mich wie ein kleines Tier zusammen und beobachtete, wie die mörderischen Wellen immer näher kamen.
    Plötzlich hörte ich meinen Namen und ein scharrendes Geräusch in den Klippen über mir. Es war Richard! Ich rief zurück, und er hörte mich. Wenige Minuten später stand er neben mir. Er legte den Arm um mich. Die Panik wich. Ich war in Sicherheit. Es war schwierig, die Klippen hochzuklettern, sogar gefährlich, aber ich hatte keine Angst mehr.
    Jetzt war er fort, und ich fühlte mich wieder allein. Erneut hatte ich Angst.
    »Hallo, Richard«, flüsterte ich in den Wind. »Geht es dir gut, dort, wo du bist?« Ich kam mir töricht und lächerlich vor, daß ich mit ihm sprach, aber irgendwie half es. »Du fehlst mir. Kannst du nicht zurückkommen?« Meine Stimme brach. Nur mühsam konnte ich die Tränen zurückhalten.
    »Was kann ich für dich tun, Richard?«
    Kaum hatte ich die Frage ausgesprochen, wußte ich die Antwort schon. Ich konnte herausfinden, wer ihn umgebracht hatte, und dafür sorgen, daß er bestraft wurde. Und ich konnte mich um FairSystems kümmern.
    Anheimelnde, mit Bierdunst geschwängerte Wärme schlug mir entgegen, als ich die Tür zum Inch Tavern aufstieß. Angeregt unterhielt sich die Gruppe, die sich an der Bar versammelt hatte. Die meisten Gesichter kannte ich bereits. Ich freute mich, als ich sah, daß auch die straffe Gestalt von Sergeant Cochrane an der Bar lehnte, ein Pint in der Hand.
    Jim Robertson begrüßte mich und fragte nach meiner Verbrennung. Der Brand war schon zwei Wochen her, und ich trug keinen Verband mehr. Mein linker Handrücken hatte nur noch eine kräftige Rötung, ein Zeichen dafür, daß mein Körper seine Selbstheilungskräfte mobilisiert hatte. Ich bestellte ein Pint und fing Cochranes Blick auf. Er nickte mir zu, und wir setzten uns an einen ruhigen Tisch, ein Stück von der Bar entfernt.
    »Wie

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