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Tödliche Aktien

Titel: Tödliche Aktien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Kein Make-up. Sie gab mir die Hand. »Hallo. Dave hat mir viel von Ihnen erzählt«, sagte sie mit englischem Akzent. »Das mit Ihrem Bruder tut mir leid.«
    »Danke«, sagte ich.
    Sie küßte Rachel auf die Wange, und die beiden begannen wie alte Freundinnen zu schwatzen.
    Ich unterhielt mich mit David, Willie und seiner Begleiterin Annie. Annie hatte einen trockenen Humor und die Gewohnheit, Willie liebevoll zu necken, was diesem sichtlich guttat. David war in seinen eigenen vier Wänden sehr viel lockerer als in Glenrothes.
    Bei Tisch saß ich neben Pat. »Und, wie gefällt Ihnen die merkwürdige Welt der Virtuellen Realität?« fragte sie.
    »Sehr spannend«, sagte ich lächelnd.
    »Mag sein. David hat mir ein bißchen davon erzählt, obwohl ich nie eines dieser Geräte ausprobiert habe.« Sie schauderte. »Für mich hört sich das sehr absonderlich an. Ziemlich scheußlich.«
    Ich dachte an Doogies eindringliche Warnung vor virtuellen Perversitäten. »Das kann die Virtuelle Realität wohl auch sein. Andererseits ist sie aber auch sehr nützlich.« Ich erzählte ihr von dem Nachmittag bei Alex.
    Interessiert lauschte Pat. »Schade, daß Dave mir nicht mehr von diesen Sachen erzählt. Ich höre immer nur von Verkaufszahlen, Besprechungen und Abschlüssen.«
    »Spricht er zu Hause viel über seine Arbeit?«
    »Ja. Sie ist ihm sehr wichtig. Sie beschäftigt ihn unablässig.«
    Das schien eine Krankheit zu sein, von der bei FairSystems niemand verschont blieb. Sogar ich wurde schon angesteckt.
    »Und was machen Sie?«
    »Ich helfe in einem Heim für Obdachlose drüben im Leith Walk.«
    »Tatsächlich?« Ich war verblüfft.
    »Na ja, sie sind nicht alle obdachlos, aber sie brauchen alle Hilfe. Einige sind einfach nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen.« Als sie mein Gesicht sah, lachte sie. »Hören Sie, so ungewöhnlich ist das nicht.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte ich verwirrt. »Nur …«
    Sie unterbrach mich: »Bei Daves Frau überrascht Sie das.«
    »Das ist es wohl«, gab ich zu.
    »Ich nehme an, da gibt’s noch viel, was Sie bei Dave überraschen würde.«
    »Ja?« Ich war neugierig.
    »Ja. Zum Beispiel haben wir uns vor neun Jahren in Uganda kennengelernt.«
    »Was haben Sie da gemacht?«
    »Dave hat für die Weltbank gearbeitet, und ich war ehrenamtliche Helferin bei Oxfam. In der Region herrschte entsetzliche Trockenheit.«
    »Ich habe gar nicht gewußt, daß er für die Weltbank gearbeitet hat.«
    »Aber ja, er ist ein großer Idealist gewesen. An der Sussex University hatte er gerade seinen Magister in Entwicklungsökonomie gemacht. Er war davon überzeugt, die entwickelte Welt müsse nur gründlich genug über die Armut in der Dritten Welt nachdenken, dann werde man schon mit ihr fertig werden. Und das wollte er in Afrika zeigen.«
    »Was für ein Ehrgeiz!«
    »Ja, aber doch ein sehr nobler.«
    »Und Sie? Warum sind Sie dorthin gegangen?«
    »Ich konnte einfach nicht die Hände in den Schoß legen, während die Menschen dort verhungerten«, sagte sie mit einem verlegenen Lächeln. Offenbar sprach sie nicht gern über diese Gefühle. »Das kann ich noch immer nicht.«
    In der Unterhaltung am anderen Ende des Tisches gab es eine kurze Pause, so daß David hörte, worüber wir sprachen.
    »Erzählt sie Ihnen von Afrika?« fragte er und sah auch etwas verlegen aus.
    »Ja«, sagte ich. »Ich bin sehr beeindruckt.«
    »Müssen Sie nicht«, sagte David. »Damals war ich Idealist und dachte, ich könnte die Probleme der Welt lösen. Heute weiß ich, daß es nicht geht.«
    »Aber irgendwie muß es doch gehen«, protestierte ich.
    David schüttelte den Kopf. »Entwicklungshilfe wird für drei Dinge ausgegeben: Waffen, Schmiergelder und den aufwendigen Lebensstil der Entwicklungshelfer. Zu den Armen kommt kaum was, und wenn doch, dann geben sie’s für Saufen und Fressen aus und vergessen den eigenen Feldbau völlig. Es ist deprimierend.«
    Ich blickte Davids Frau an. Keine Reaktion, offenbar hatte sie das alles schon oft gehört. David war meinem Blick gefolgt.
    »Verstehen Sie mich nicht falsch. Natürlich brauchen wir Entwicklungshelfer. Pat hat mehr Leben gerettet, als ich Computer verkauft habe. Irgend jemand muß sich um die Opfer der Gesellschaft kümmern. Aber man kann die Welt nun mal nicht ändern. Deshalb muß sich jeder holen, was er kriegen kann.« O-Ton Harvard. Die Philosophie kannte ich. »Was anderes macht ihr in der City doch auch nicht, oder?« fragte David herausfordernd. »Mit

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