Tödliche Aktien
amerikanischem Akzent. Wie er uns erläuterte, hatte er seinen Magister am Massachusetts Institute of Technology gemacht und gerade drei Jahre bei der Tochterfirma von Onada Industries in Kalifornien verbracht. Jetzt war er Generaldirektor der Londoner Niederlassung. Er führte die Unterredung mit uns. Gelegentlich wandte er sich in raschem Japanisch und voller Ehrerbietung an seinen Vorgesetzten, der ihm dann eine kurze Antwort erteilte, bevor er wieder in seinen Halbschlaf verfiel.
Die beiden anderen Japaner sagten gar nichts, so daß sie rasch in Vergessenheit gerieten.
Auf der anderen Seite des Tisches saßen David und ich. Das Reden überließ ich ihm.
Er machte seine Sache sehr gut. Respektvoll und ohne eine Spur jener Herablassung, mit der viele Europäer Japanern begegnen, sprach er unsere Gäste an. Sie zogen die Vertragsentwürfe hervor und begannen, sie durchzugehen.
Ich muß gestehen, daß ich eingeschüchtert war. Ich hatte schon im Rentengeschäft mit Japanern zu tun gehabt. Da waren sie für mich immer die Dumpfbacken mit viel Kohle und wenig Durchblick gewesen. Irgend jemand mußte schließlich teuer kaufen und billig verkaufen, damit wir, die cleveren Jungs, das schnelle Geld machten. Und nicht selten waren eben die Japaner so freundlich gewesen, diesen Part zu übernehmen.
Doch diese Leute hier waren von anderem Kaliber. Onada Industries war ein mittleres japanisches Elektronikunternehmen und damit viel größer als jedes englische Unternehmen in diesem Bereich. Gerade auf diesem Gebiet haben die Japaner einen hervorragenden Ruf. Es war kaum vorstellbar, daß ein Unternehmen wie Onada, wenn es erst mal in der VR-Branche Fuß gefaßt hatte, sich nicht einer Firma wie FairSystems rasch entledigen würde.
Und ausgerechnet diesen Leuten wollten wir das Programm für FairSim1 überlassen.
Aber was hatte ich schon für eine Ahnung? Ein Achtundzwanzigjähriger, dessen Erfahrung auf dem Gebiet der Virtuellen Realität sich nach Wochen und nicht nach Jahren bemaß. David wußte weitaus besser Bescheid. Und Onada würde kaum erfreut sein, wenn wir versuchten, jetzt noch die Vertragsbedingungen zu verändern. Das Unternehmen konnte sicherlich ein mächtiger Feind sein.
Trotzdem, ich hatte immer meinem eigenen Urteil vertraut. Bei Harrison Brothers hatte es mir in manch schwieriger Situation geholfen. Ich brauchte nur an meine ersten Monate als Trader zu denken. Damals arbeitete ich für Gus, der schon mit dreißig eine Legende an den Rentenmärkten war. Wir handelten mit Annuitätenanleihen. Das waren besondere Anleihen, da ihre Laufzeit nicht begrenzt war, was die Investoren aber offenbar nicht störte, denn sie verkauften die Papiere, wenn ihnen danach zumute war. Täglich wurden viele hundert Millionen dieser Anleihen gehandelt, und sie galten als völlig sicher.
Das beunruhigte mich. Soweit ich es verstand, konnte das Ganze nur so lange funktionieren, wie jemand bereit war, die Anleihen zu kaufen. Aber was war, wenn der Markt für Annuitätenanleihen plötzlich zusammenbrach? Dann würde man ewig auf den Dingern sitzenbleiben.
Ich teilte Gus meine Bedenken mit. Er sagte mir, ich sei ein ahnungsloser Anfänger, und ging zum Mittagessen.
Und dann begannen die Kurse der Annuitätenanleihen unaufhaltsam zu fallen. Gus war begeistert. Annuitätenanleihen sind billig? Hol sie dir, Mann!
Eines Nachmittags rief er vom White Horse an, um mir mitzuteilen, daß er nicht mehr ins Büro käme. Ich war besorgt. Unsere Anleihen fielen schon wieder, und wir saßen auf einem Riesenberg. »Nimm, was du kriegen kannst«, knurrte er. »Morgen früh zieht der Markt an.«
Nun, ich tat es nicht. Vielmehr verkaufte ich jede Annuitätenanleihe, die wir hatten, der Markt verlor einen ganzen Punkt und erholte sich nicht wieder. Gus flippte aus und verlangte, daß man mich rausschmiß. Zwar wurde ich nicht entlassen, aber in die Abrechnung versetzt. Doch eine Woche später stellte sich heraus, daß die Annuitätenanleihen blieben, wo sie waren – im Keller. Gus wurde gefeuert, und Bob Forrester gab mir dessen Stelle.
Seither vertraute ich nur noch meinem eigenen Urteil. Tief atmete ich durch.
»Das hier gefällt mir nicht«, sagte ich und zeigte auf die betreffende Klausel.
Es war das erstemal, daß ich während der Konferenz den Mund aufmachte. Yoshi wandte sich mir zu. Wütend starrte David mich an, und Mr. Akamas Lider gingen ungewohnt weit nach oben. Ich fragte mich, ob er wirklich kein Englisch
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