Tödliche Aspekte Kommissarin Julia Sanders 2. Fall (Krimis aus Schleswig-Holstein) (German Edition)
unserem letzten
Treffen war er anders. Er sagte, er müsste etwas mit mir besprechen. Wir trafen
uns in einer Bar im Rotlichtviertel. In der verkehren nur Schwule. Er wusste
nicht, wie er es mir erklären sollte. Endlich begann er und gestand mir, dass
er sich in ein Mädchen verliebt hatte. Ich konnte und wollte nicht glauben, was
er mir erzählte. Er hatte sie während der Arbeit kennengelernt. Sie war eine
Arbeitskollegin von ihm. In mir kam immer mehr der Gedanke auf, dass, wenn ich
ihn nicht behalten konnte, sie ihn auch nicht haben sollte. Wir liebten uns ein
letztes Mal, und ich war drauf und dran ihm zu verzeihen. Wir fuhren an die
Förde, zum Hindenburgufer, um in Erinnerungen zu schwelgen. Wir sind dort oft
spazieren gegangen. Ich machte den Vorschlag, zum Anleger der Bellevue Brücke
zu gehen, damit wir uns dort eine Weile hinsetzen konnten. Am Rand der Brücke
entdeckte ich plötzlich einen schweren Hammer, den muss wohl jemand vergessen haben.
In diesem Moment wurde ich wütend, weil Daniel mich verlassen wollte. Ich hob
den Hammer, konnte aber nicht damit zuschlagen und schleuderte ihn weit weg ins
Wasser. Dann bin ich in Panik weggelaufen. Danach habe ich Daniel nicht mehr
gesehen.“ Neumann begann zu schluchzen. Sein ganzer Körper schüttelte sich.
Julia räusperte sich.
„Hat Herr Örtler gesagt, um welche
Kollegin es sich handelt?“ Neumann schüttelte den Kopf.
„Nein, das weiß ich nicht.“
„Wir haben unter Örtlers Fingernägeln
Hautschuppen gefunden. Könnten die von Ihnen stammen?“ Neumann wurde blass.
„Ich hab Ihnen doch gesagt, dass wir uns
ein letztes Mal geliebt haben.“ Julia runzelte die Stirn.
„Und dabei ging es so heftig zu?“ Der
Mann senkte den Kopf und erwiderte so leise, dass Julia ihren Kopf zu ihm herunter
beugen musste.
„Ich wollte nicht, er hat mich
gezwungen. Dabei sind wohl die Kratzer entstanden.“
„Also Herr Neumann, dann ziehen Sie doch
bitte mal Ihr Hemd hoch. Es müssten dann doch einige Narben zu sehen sein.“
Tatsächlich befanden sich auf seinem Rücken feine rosa Striche, frisches
Narbengewebe. Julia strich sich die Haare aus dem Gesicht.
„Sagen Sie uns endlich die Wahrheit. So
kommen wir nicht weiter.“
„Ich weiß nicht, wer Daniel getötet hat,
ich jedenfalls nicht.“ Danach war kein Wort mehr aus dem Mann herauszubekommen.
„Gut. Sie haben das Recht auf einen
Pflichtverteidiger. Sie werden erst einmal in die JVA Neumünster gebracht.“
„Ich war es nicht. Das habe ich Ihnen
doch schon gesagt.“
„Das werden die Untersuchungen ergeben.
Allerdings haben Sie meine Kollegin mit einem Messer bedroht. Wenn Sie Anzeige
gegen Sie erhebt, dann gibt es ein Verfahren.“ Wutschnaubend stand der Mann auf
und ließ sich widerstrebend von einem Polizisten abführen. Als Julia ihr Büro
betrat, hatte Andrea ihre rosige Gesichtsfarbe zurück erlangt.
„Geht es dir wieder besser?“ Andrea
nickte.
„Alles gut. Was hat er gesagt?“ Als
Julia ihr die Einzelheiten berichtete, fragte sie: „Meinst du, dass er die
Wahrheit gesagt hat?“ Julia blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Das scheint mir alles sehr weit
hergeholt. Der Hammer spielt bei dem Fall bestimmt keine Rolle. Es muss einen
Kampf gegeben haben. Dabei hat Örtler seinem Widersacher die Fingerkuppe
abgebissen. Dirk Kummer und Rainer Schwarz können es nicht gewesen sein. Woher
sollten sie wissen, wo Örtler sich zu dem Zeitpunkt aufhielt. Außerdem sind die
Finger der beiden vollständig. Ich habe darauf geachtet.“ Andrea grinste.
„Worauf du alles achtest.“
„Wenn
es Neumann war, dann hatte er bestimmt einen Helfer.“ Christian Neumann sollte
am Nachmittag dem Haftrichter vorgeführt werden. Es gab bis zu diesem Zeitpunkt
nichts, was ihn entlastet hätte.
Der Vormittag war weit fortgeschritten,
als die beiden Polizistinnen ins Auto stiegen, um nach Seligengeist zu fahren.
„Wenn man das hier liest: Es sind insgesamt
zwanzig Namen in der Zusammenstellung von Dr. Weinlaub. Zehn Patienten sind
bereits an Krankheiten gestorben, die durch Bakterien hervorgerufen wurden.
Weitere zehn sind bereits an dieser Immunschwäche erkrankt. Wer weiß, ob es
nicht noch mehr Erkrankte gibt. Die gehen ja nicht alle zu dem gleichen Arzt.
Wir müssten eigentlich auch noch eine Liste von Dr. Meinhardt haben. Ob dieses
Antibiotikum wirklich dafür verantwortlich ist?“ Julia hielt abrupt am
Straßenrand an. „Hier darfst du nicht halten“, sagte Andrea vorwurfsvoll.
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