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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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Schultern durch das Halbdunkel ihrer Wohnung ging. Louise folgte ihr auf Strümpfen.
    »Die ticken nicht ganz richtig«, begann Viktorias Mutter. »Journalisten sind wie Kletten. Drängen sich immerzu auf. Eine Zeit lang war ich kurz davor umzuziehen. Dass man nicht mal in seinen eigenen vier Wänden in Ruhe gelassen wird! Aber ich möchte ja hier sein … mit Viktorias Habseligkeiten in der Nähe … möchte bereit sein, wenn sie kommt.«
    Die Tränen schossen hervor, ein Ausdruck ihrer ständig brodelnden Angst um das Leben der eigenen Tochter. Das Zählen der Minuten, die vorankrochen, gute vierzig Stunden inzwischen, ganze anderthalb Tage. Dazu kam, dass der Abend sich näherte, die Nacht mit ihrer unausweichlichen Kälte, die sich über das zarte Mädchen legen würde. Der Frost würde ihr zusetzen, ihr zu schaffen machen. Die Sehnsucht nach ihrem Zuhause noch vergrößern. Die Sehnsucht nach einer Mutter, die nicht bei ihr sein konnte.
    Viktorias Mutter stand steif wie ein Stock da und streckte die Arme aus. Leere Hände, bereit für eine Umarmung, während sich ihr Gesicht verzog und der ganze Körper vor Anspannung bebte.
    Louise sagte nichts. Sie sah, dass die Frau kurz vor dem Zusammenbruch stand.
    »Und was wollen Sie nun?«, fragte sie.
    Ihre Stimme war belegt, und sie schaute Louise mit ihren rot geäderten Augen an, während ihre Arme langsam herabsanken.
    Der Anblick war schmerzlich.
    »Sie sind allein?«, vergewisserte Louise sich.
    »Ja, im Augenblick bin ich allein. Eva kommt später wieder. Ich habe versucht, mich ein wenig auszuruhen.«
    Louise legte einen Arm um die dünnen Schultern der Frau, setzte sie sanft auf einen Stuhl und nahm neben ihr Platz.
    »Wer ist Eva? Ihre Schwester?«
    »Nein. Meine Freundin. Aber sie muss ja auch zwischendurch mal nach ihrer eigenen Familie gucken.«
    »Sie kommt also bald zurück?«
    »Das sagte sie jedenfalls.«
    Louise saß da, den Arm um die Frau gelegt, und wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Fühlte sich selbst recht zitterig, obwohl sie solche Situationen eigentlich gewohnt sein müsste. Doch an Trauer und menschliche Tragödien gewöhnt man sich niemals.
    »Ich wollte Ihnen gern ein paar Fragen zu Viktorias Vater stellen«, brachte sie schließlich ihr Anliegen vor.
    »Was sollte mit ihm sein?«
    Die Augen in dem rot geschwollenen Gesicht starrten sie an.
    »Sie wollten uns neulich nicht erzählen, um wen es sich handelt.«
    »Das hat doch gar nichts mit dieser Sache zu tun, oder?«
    »Darauf kann ich nicht antworten«, entgegnete Louise ruhig.
    »Viktoria wird wohl auch nicht eher zurückkommen, nur weil Sie ihn in die Sache hineinziehen. Oder? Sie kann sich gar nicht bei ihm aufhalten. Denn sie weiß nicht einmal, wer ihr Vater ist. Sie hat ihn niemals gesehen. Ich habe sie allein erzogen«, erklärte sie, und man konnte den Stolz in ihrer Stimme mitschwingen hören.
    Die Sätze kamen in schneller Folge und mit einer nur mäßig zurückgehaltenen Aggressivität.
    »Aber haben Sie auch schon darüber nachgedacht, dass er wissen könnte, wer sie ist?«, fragte Louise.
    Die Mutter, die möglicherweise ihr Kind verloren hatte, starrte geradewegs ins Leere.
    »Das glaube ich nicht«, sagte sie dann.
    Doch plötzlich hörte sie auf zu weinen und blinzelte mit den Augenlidern. Ein kleiner Lichtstrahl in der Dunkelheit. Eine Möglichkeit.
    »Warum bin ich nur nicht vorher darauf gekommen?«, stellte sie ihre Frage in den Raum.
    Ein Fünkchen Zuversicht schien in ihr aufzuglimmen. Eine Hoffnung, die noch nicht zunichte gemacht worden war. Und diese Hoffnung ruhte jetzt auf dem Vater des Mädchens, den sie damals mit solcher Energie gehasst hatte, dass sie niemals mehr mit ihm zu tun haben wollte. Und außerdem viel zu stolz dafür gewesen wäre. Sie hatte sich eingebildet, dass er Viktoria möglicherweise zu sich nehmen wollte. Ihr kleines Mädchen, um das sie sich bisher ganz allein gekümmert hatte. Doch die Bitterkeit und die Wut hatten sich mit den Jahren gelegt.
    »Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu ihm?«, fragte Louise weiter.
    Die Mutter schaute geniert zu Boden. Saß ganz steif da. Bewegte sich nicht. Louise wartete. Ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, in dem die Luft völlig abgestanden war, und sah die übervollen Aschenbecher und die ungespülten Kaffeetassen. Die Balkontür war geschlossen, aber die Lüftungsklappe gekippt. Und dennoch war die rauchgeschwängerte Luft zum Greifen dick.
    »Können Sie sich daran erinnern?«, hakte

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