Toedliche Blumen
durch ihren Inhalt oder das Phänomen des Problemlösens an sich motiviert. Es war ungefähr vergleichbar mit dem Lösen eines Kreuzworträtsels, wie Lundin sich einmal ausdrückte. Louise selbst war kein Freund von Kreuzworträtseln, verstand jedoch ohne weiteres den tieferen Sinn seines Kommentars. Sie selbst jedoch schätzte die meisten ihrer Kollegen als äußerst pflichtbewusst ein. Man wollte einfach gute Arbeit leisten. Und alle von ihnen kannten die Frustration, die ungelöste Fälle in einem auslösten. Sie nahmen sich wie ein trauriges Symbol für das Unvermögen der Polizei aus.
Während sie die Treppen zur Wohnung von Kjell E. Johansson hochstieg, sah sie sich selbst schon im Geiste um die Weihnachtszeit herum die Mappe mit dem Västlund-Fall zur Hand nehmen. Doch sie würde sich, was das Hier und Jetzt betraf, nicht so schnell geschlagen geben. Sobald das Mädchen wieder auftauchte, würde sie dafür sorgen, dass die Ermittlungen unmittelbar in Gang kämen. Wenn sich nun nicht schon vorher ein Zusammenhang ergab. Der Gedanke daran war ihr allerdings so neu und fremd, dass sie kaum daran zu glauben wagte. Jedenfalls noch nicht.
Es roch nach Reinigungsmitteln, als wäre die graue Steintreppe nach dem Putzen gerade erst getrocknet. Ein ansprechender Ort. Ein so genanntes Arbeiterhaus, das behutsam renoviert worden war.
Sie klingelte, doch es öffnete keiner. Kjell E. Johansson war also nicht zu Hause, was sie auch nicht weiter verwunderte. Vielleicht stimmte ja, was sie gehört hatte, nämlich dass er in einer der Gruppen unterwegs war, die das westliche Waldgebiet durchkämmten. Zuerst hatte sie gedacht, nicht richtig gehört zu haben oder ihr Kollege hätte sich vertan. Aber warum nicht?
Sie traute Johansson nicht recht über den Weg. Er gehörte zu der Sorte Mensch, die das Lügen zur hohen Kunst erhoben hatte. Aber auch in einer rauen Schale steckt manchmal ein weicher Kern.
Sie würde es etwas später noch einmal versuchen, dachte sie und trat hinaus auf den Gehweg, um Luft zu schnappen. War unentschlossen und wusste nicht richtig, was sie jetzt anfangen sollte. Es war geringfügig kühler geworden. Die Wärme würde sich auf keinen Fall über Nacht halten. Dafür war es noch viel zu früh im Jahr. Auf der Straße war es immer noch ruhig.
Sie zögerte, sich wieder ins Auto zu setzen. Wahrscheinlich stand in einem der Häuser auf der anderen Seite jemand hinter den Gardinen und beobachtete, wie sie dort unschlüssig herumstand, mutmaßte sie. In einiger Entfernung hörte sie das Geräusch fegender Besen und kratzender Harken. Es schien aus dem Hof auf der Rückseite des Gebäudes zu kommen. Deshalb ging sie am Gebäude entlang in Richtung Norden, bog an der Länsmansgatan um die Ecke und nahm den schmalen Durchgang zum Hof, der an das Nachbargebäude grenzte und den sie in der letzten Woche des Öfteren benutzt hatte. Ihr war klar, dass sie mit ihrem erneuten Erscheinen Aufmerksamkeit erregen würde.
Im Hof herrschte volle Aktivität. Die Eigentümer schienen eine gute Woche nach dem Mord an Doris Västlund eine allgemeine Reinigungsaktion ins Leben gerufen zu haben. Die Pflastersteine wurden geschrubbt, in die Tontöpfe pflanzte man Pelargonien, Gartenmöbel wurden gescheuert und neu gestrichen. Louise erkannte einige der Teilnehmer wieder, nicht zuletzt den geschäftig herumlaufenden Vorsitzenden Sigge, der im Moment eigentlich mit nichts anderem beschäftigt war, als die Arbeit zu überwachen. Typisch, dachte sie und wurde mit einem Mal verlegen. Alle Tätigkeiten schienen plötzlich zum Stillstand gekommen zu sein, und die Bewohner schauten sie unsicher an. Ihre Anwesenheit löste offensichtlich Beunruhigung aus.
Sie entschied sich dafür, allen unverbindlich zuzunicken. Dann sah sie, dass die Tür zur Möbelwerkstatt angelehnt war, und fasste den Entschluss hineinzugehen. Hauptsächlich, weil sie neugierig war, aber nicht zuletzt deswegen, weil sie so den Eindruck vermitteln konnte, dass sie in einem Anliegen unterwegs war. Sie war nie zuvor in der Werkstatt gewesen. Das gehörte in Janne Lundins und Benny Grahns Aufgabengebiet.
Genau in dem Moment, als sie eintreten wollte, klingelte ihr Handy. Es war Janne Lundin, der aufgrund des vermissten Mädchens natürlich auch mobilisiert worden war. Zurzeit befand er sich im Präsidium und rief an, um ihr eine Information zu übermitteln. Ein Zeuge, der in der Straße wohnte, in der Viktoria höchstwahrscheinlich von einem Auto aufgegriffen
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