Toedliche Blumen
worden war, meinte, dass es sich um einen weißen Kastenwagen handelte. Das wusste sie bereits, entgegnete Louise. Doch jetzt behauptete ein anderer Nachbar, dass das Auto von einer Frau gefahren worden war, die kurz zuvor etwas eingeladen hatte. Ein Möbelstück. Einen Stuhl oder so etwas.
Louise war sprachlos und drückte das Handy fester an ihr Ohr, während sie sich mit dem Rücken zum Hof stellte.
»Hörst du mich?«, fragte Lundin.
»Ja«, antwortete sie und spürte die Blicke im Nacken.
»Kannst du im Moment reden?«
»Nein, aber warte einen Augenblick«, entgegnete sie und ging zurück in die Länsmansgatan. »Hat man herausfinden können, wer mit der Abholung des Möbelstücks beauftragt war?«, wollte sie wissen, glaubte aber schon selbst die Antwort zu kennen.
»Ja, unsere Freundin in der Friluftsgatan. Rita Olsson.«
»Ich befinde mich gerade hier. Direkt vor der Möbelwerkstatt. Der Hof ist voll mit Leuten. Hofreinigung.«
»Wie hat es dich denn dorthin verschlagen?«
»Ich war auf der Suche nach dem eventuellen Ursprung des Mädchens.«
»Dem Vater?«
»Ja.«
»Kennen wir ihn?«
»Ja. Aber darüber können wir später reden. Ich gehe jetzt in die Werkstatt und spreche mit ihr. Kommst du?«
»Ja, klar.«
Sie ging zurück in den Hof, öffnete zielstrebig die Tür zur Werkstatt, rief nach Rita Olsson und dachte im Stillen, dass die Puzzleteile irgendwie absolut nicht zusammenpassten. Jedenfalls für den Moment noch nicht, aber vielleicht würden sie es ja bald tun.
»Sie ist gerade nicht da«, kam ihr die junge Mutter zu Hilfe, die Louise selbst vor einer Woche befragt hatte und die angesichts der Misshandlung in der Waschküche ziemlich mitgenommen gewesen war, wie sie sich erinnerte. Und das nicht ohne Grund, möchte man meinen. Louise fiel nicht sofort ein, wie sie hieß, aber erinnerte sich umso deutlicher, wie erstaunt sie selbst gewesen war, dass die junge Mutter so schnell einen Sündenbock gefunden hatte. Ohne zu zögern, hatte sie die Dame aus der Wohnung über der Waschküche, die sich über den Lärm beschwert hatte, herausgegriffen. Britta Hammar. Doch der Zwist schien nicht länger zu existieren. Die beiden Frauen standen mit erdverschmierten Händen einträchtig nebeneinander über einer Ansammlung von Tontöpfen in verschiedenen Größen, einige mit blauer Glasur, andere wiederum terrakottafarben, und waren dabei, rosafarbene Pelargonien einzupflanzen. Mårbacka hieß die Sorte. Das wusste Louise.
»Wo ist sie denn?«, fragte Louise.
»Sie ist kurz zum Auto gegangen. Sie können, soweit ich weiß, geradewegs durch die Werkstatt gehen«, erklärte Britta Hammar.
Ob die Hausbewohner sich wohl jetzt entschieden hatten, etwas gegen den Lärm in der Waschküche zu unternehmen? Louise war sich nicht sicher. Oft blieb alles beim Alten, insofern keine Behörden eingeschaltet und Messungen vorgenommen wurden, damit der Geräuschpegel anhand von Messwerten und Gesetzen analysiert werden konnte. Was wahrscheinlich das Einzige war, das den Vorsitzenden Sigge einigermaßen beeindrucken würde. Er schien ein richtiger Paragrafenreiter zu sein.
Als Louise die Werkstatt betrat, war sie von den verschiedenen Gerüchen angenehm überrascht. Es roch nach ihrer Kindheit. Ein schwacher Duft nach Chemikalien. Ihr Vater hatte sich oft in seine Tischlerwerkstatt zurückgezogen, wo er sich ziemlich wohl fühlte. Heute würde sie sagen, er war geflohen. An ihrer Mutter waren Hausarbeit und Kinderbetreuung hängen geblieben, während er es genoss, kreativ zu sein, kleine Männchen zu schnitzen, Hocker und Spiegelrahmen und schließlich Regale für sie und ihre Geschwister herzustellen. Als Kinder saßen sie gerne dort auf einem Stuhl und ließen die Beine baumeln, griffen in die weichen Sägespäne, sahen ihm bei der Arbeit zu, beim Hobeln oder dabei, wie er ruhig und systematisch die Bretter mit Schmirgelpapier abschliff, zärtlich über sie strich, woraufhin sie das Holz befühlen durften und feststellten, wie samtweich es geworden war. Im Hintergrund hörten sie das Radio laufen, ein altes schwarzes Gerät von Grundig, das unter einer dicken Schicht Holzstaub fast verschwand und mit einer silbernen Gabel als Verlängerung der Antenne ausgestattet war. Das Radio lief eigentlich immer.
Auch in dieser Werkstatt hörte man dezente Radiomusik im Hintergrund. Ein Stuhl stand aufgebockt mitten im Raum. Er schien zur Hälfte fertig zu sein. Die Rückenlehne und ein Teil der Sitzfläche sahen sauberer
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