Toedliche Blumen
direkt nach gelungenen Treffen dieser Art war, um danach ganz unbemerkt abzukühlen. Der reinste Todesstoß allerdings war, wenn der Job des Organisierens reihum wechselte. Denn sobald ein etwas weniger engagierter Typ an der Reihe war, der es eher vorzog, sich mitziehen zu lassen, anstatt selbst die Initiative zu ergreifen, verlief sowieso alles im Sande. Was eigentlich keiner wollte.
Fünf waren gekommen, alle aus seinem eigenen Kurs bei der Polizeihochschule. Claesson begriff eigentlich erst im Nachhinein, wie groß der psychologische Nutzen war, den er aus diesen Treffen ziehen konnte. Das Gefühl der Zusammengehörigkeit war nahezu physisch greifbar gewesen. Ein beruhigendes Gefühl, nicht allein zu sein. Trotz ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten zeigte es sich, dass sie alle ein Bedürfnis hatten, ihren jeweiligen Ärger loszuwerden und auch ein wenig über den einen oder anderen herzuziehen. Keiner von ihnen war jedoch der Typ, der in der Vergangenheit stehen blieb. Vor allem Claesson nicht. Mit einem Kleinkind zu Hause war das sowieso nicht möglich. Da musste man den Blick immer nach vorn richten. Zwangsläufig!, dachte er.
Alle von ihnen bekleideten einen ordentlichen (ob, was natürlich nicht hieß, dass auch alle zufrieden waren. Er fand es recht interessant, darüber nachzudenken, was einige Kollegen zufriedener als andere erscheinen ließ. War die jeweilige Position auf der Karriereleiter dafür verantwortlich? Zum Teil vielleicht. Wie viel hatte die eigene Zufriedenheit überhaupt mit dem Inhalt der Arbeit zu tun? Oder mit anderen Faktoren wie zum Beispiel der jeweiligen Persönlichkeit? Den unterschiedlichen Erwartungen, der Fähigkeit, mit Rückschlägen umzugehen. Es schien, als liefe ein Teil aller Polizisten mit einer angeborenen Unzufriedenheit herum, während wiederum anderen ihre Frustration als Antriebskraft diente. Wenn man feststellte, dass man nur ungern am Schreibtisch arbeitete, sollte man eher keinen Bürojob annehmen, auch wenn dieser möglicherweise einen höheren Status repräsentierte. Und andersherum. Der ausgeglichenste von ihnen allen, ein breitschultriger Mann aus Norrland, der im Übrigen recht lustig war, hätte im Prinzip in jeder Branche arbeiten können, ohne sich zu beschweren. Diese Sorte Mensch war natürlich beneidenswert. Er glich in gewisser Hinsicht einem Löwenzahnsamen, der sich wohl fühlte, wo immer der Wind ihn auch hinblies.
Für Claesson persönlich war es zweifellos das Familienleben, das ihm in den letzten Monaten Auftrieb gegeben hatte. Klara und Veronika. Er dachte an das Foto, das er im Sommer von den beiden gemacht hatte und das seitdem an der Kühlschranktür hing. Ein wenig unscharf, aber in warmen Farbtönen. Eine satte goldgelbe Nachmittagssonne spiegelte sich in den Augen der Tochter und seiner Lebensgefährtin.
Es hatte ihn einigen Mut gekostet, so weit zu kommen, denn er war in der Zwischenzeit ein richtig nach innen gekehrter Junggeselle geworden. Schätzungsweise war es Veronika, die im Hinblick auf ihre Liaison die Mutigere von ihnen gewesen war, dachte er mit einem schiefen Lächeln. Die es gewagt hatte, sich mit ihm einzulassen. Warum hatte er eigentlich das Unternehmen, eine Familie zu gründen, so lange vor sich hergeschoben? Es von einem Jahr aufs nächste verschoben? Es konnte doch nicht nur daran gelegen haben, dass er über die Maßen an seiner früheren Freundin Eva gehangen hatte? Damals hatte er schließlich – wenn auch unter großen Qualen – eingesehen, dass er gezwungen sein würde, sich von ihr zu trennen, um sich nicht von ihr zugrunde richten zu lassen. Und mit ihr hatte er eben keine Kinder zeugen können. Immer wieder nur Blutungen.
Er schloss die Haustür auf. Die erwärmte, abgestandene Luft schlug ihm wie eine Wand entgegen, also ließ er die Tür offen stehen. Seine Tasche stellte er im Flur ab, woraufhin er quer durch das Haus ging und zusätzlich die Terrassentür auf der Rückseite öffnete. Die Sonne verschwand gerade hinter dem Dach des Nachbarn. Das Ehepaar, das vor Jahren das Haus gebaut hatte, wohnte noch immer dort. Sie kamen nur noch mit Mühe und Not allein zurecht, aber Claesson hatte das Gefühl, dass in jedem Fall der Mann auf der Stelle sterben würde, wenn man ihn dazu brächte umzuziehen. Der alte Greis konnte sich in seinem Garten das ganze Jahr über beschäftigen, und manchmal, wenn ihm danach war, hackte er ein wenig Holz. Beide schienen zufrieden zu sein. Der Nachbar zur anderen Seite
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