Toedliche Blumen
die Beinstützen zu legen. Die Ärztin besaß routinierte Hände, sodass Louise sich nicht zu verkrampfen oder anzuspannen brauchte. Ihre Stimme war leise und beruhigend.
Louise schaute an die Decke, versuchte ihr Gehirn auszuschalten und an nichts zu denken, konnte jedoch ihre Empfindung, dass die Nachricht, die sie gleich erhalten würde, der Beginn von etwas Großartigem war, nicht zurückhalten. Etwas, das allerdings unmittelbar entfernt werden musste. Voller Distanz und Effektivität. Ein vollkommener Kontrast zu ihren innersten Gefühlen. Dieses Unglück, das beendet werden sollte. Nicht einmal ein Winzling werden durfte. Nichts. Ganz einfach entfernt werden musste.
Und danach würde alles wieder wie immer werden. Es gab keine andere Alternative. Keine gute. Überhaupt keine.
Doch sie weinte nicht. Blieb heil.
»Jetzt führe ich den Ultraschallstab ein.«
»Ich will es nicht sehen«, entgegnete Louise.
»Das brauchen Sie auch nicht … gut, dass Sie so entspannt auf der Bank liegen«, fügte die Ärztin hinzu und drückte verschiedene Knöpfe. »So, jetzt bin ich fertig. Setzen Sie sich bitte wieder auf!«
Ein wenig schwindelig kam sie wieder hoch. Hürde Nummer eins war genommen. Die Feststellung an sich.
Als sie die Ambulanz verließ, hatte der Druck über ihrer Brust ein wenig nachgelassen. Sie hatte einen Operationstermin für den übernächsten Tag erhalten. Am Mittwoch. Für einen medizinischen Abbruch war es leider schon zu spät. In dem Zusammenhang würde sie dann auch, während die Betäubung noch wirkte, eine Spirale eingesetzt bekommen.
Das Ganze hatte etwas von einer Strategie, einem Plan. Selbst für sie gab es eine Möglichkeit. Wie auch immer sie das Ganze am Mittwoch organisieren sollte!
Peter Berg hatte eine ganze Weile vor seinem Computer gesessen und Adressen kontrolliert. Die älteste Tochter von Folke Roos hieß Ann-Christine und war mit einem gewissen Åkesson verheiratet, der offenbar die Glaserei weiterführte. Oder sie leiteten sie gemeinsam, was am wahrscheinlichsten war, da ihr Vater die Firma gegründet hatte.
Die andere Tochter hieß Clary Roos. Sie war knappe fünf Jahre jünger und unverheiratet. Ein Sohn von vier Jahren war auf ihren Namen gemeldet. Unter derselben Adresse war ein Mann mit dem Namen Per Olsson geführt. Dieser Name kam Peter Berg ziemlich bekannt vor, woraufhin er sich durch andere Programme weiterklickte und schließlich eine ganze Menge über ihn fand, meistenteils kleinere Diebstähle. Vermutlich auch Drogenmissbrauch. Er hatte den Mann als charmant, aber völlig unzuverlässig in Erinnerung. Und vor allem als ewigen Nörgler, wie alle Drogensüchtigen. Er war so um die dreißig und würde sich und seine Umgebung vermutlich noch eine Weile lang zugrunde richten, wenn er nicht aus dem einen oder anderen Grund früher draufging. Zum Beispiel aufgrund einer Überdosis.
Berg ging in den Personalraum, um Erika Ljung abzuholen. Sie stand am Fenster.
»Ich musste meine Beine ein wenig strecken«, erklärte sie und wedelte mit einem Papier.
»Was liest du?«
»Ich ziehe mir gerade das letzte Monatsheft von Gotte rein. Man kann über ihn denken, was man will, aber lustig ist er.«
Sie lächelte übers ganze Gesicht.
»Ein Glück, dass wenigstens einer hier lustig ist!«, entgegnete Peter Berg.
Ansonsten war nämlich den meisten weniger nach guter Laune zumute, dachte er. Fröhlichkeit wurde im Moment geradezu als suspekt betrachtet. Passte nicht zu der Verschlankung der verschiedensten öffentlichen Organisationen und dem ganzen Gerede über Einsparungen.
Auch wenn Gotte sich weigerte, sich darauf einzulassen, da er, wie er behauptete, zu alt und schon zu lange dabei war, um sich noch umstellen zu können. Sie hatten wirklich Glück, dass es noch einen Mann mit Pfadfinderblick unter ihnen gab. Gotte hielt zu seinen »Jungen« und mittlerweile auch »Mädels«, deren Zahl zugenommen hatte, auch wenn sie noch immer in der Minderheit waren. Bei der Arbeit galt es zusammenzuhalten, und sie sollte nach Gottes Dafürhalten möglichst jeden Tag Spaß machen. Das war typisch Gotte in seiner Nussschale, was allerdings immer dann ein Problem darstellte, wenn schwer wiegende Personalentscheidungen anstanden oder Ärger innerhalb des Kollegenkreises auftrat. Dann mussten sich andere stark machen. Claesson zum Beispiel. Gotte konnte das ganz einfach nicht, verstand sich nicht auf so etwas, faselte in solchen Situationen immer nur davon, dass sie
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