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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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Problem.«
    Er machte es sich auf der papierbespannten Bank bequem und ließ seine ehemals weißen Turnschuhe über das Ende der Bank hängen. Sie setzte ihren Fuß auf das Pedal und pumpte die Bank nach oben auf Arbeitshöhe, sodass sie sich rückenschonend bewegen konnte. Sie schaltete die Lampe über ihrem Kopf ein, zog den rostfreien Drehstuhl zu sich heran und setzte sich. Streifte sich ihre Arbeitshandschuhe über die Finger, streckte sich nach Pinzette und Skalpell und hob den ersten Stich direkt über der Kante des Amorbogens vorsichtig an. Es sah ordentlich aus, fand sie. Eine dichte gleichmäßige Reihe von Stichen, die sich von der Oberlippe zum Nasenflügel hin fortsetzte. Rheza Parvane hatte ihn exzellent verarztet. Keine Infektionen. Nur eine leicht bläuliche Verfärbung, die sich mit der Zeit legen würde.
    »Schreien Sie ruhig, wenn es wehtut«, forderte sie ihn munter auf.
    »Das würde Ihnen aber nicht wirklich gefallen«, murmelte er und schickte ihr im Licht der Arbeitslampe einen Blick wie ein klarer Sommerhimmel.
    »Nein, das stimmt«, pflichtete sie ihm bei. »Nur noch ein paar Stiche, dann sind Sie erlöst.«
    »Gut.«
    »Man sollte sich davor hüten, verprügelt zu werden«, sagte sie scherzhaft.
    »Ist mir auch schon aufgefallen. Weiß auch nicht, welcher Teufel mich geritten hat!«
    »Es waren also Sie, der angefangen hat?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    »Ich kann mich nicht mehr erinnern. Aber etwas anderes, Frau Doktor, wollen Sie nicht Ihre Fenster zum Frühjahr so richtig frisch geputzt haben?«
    Da kam es, dachte sie und war zum Glück einigermaßen darauf vorbereitet, sich herauszuwinden.
    »Mein Mann wird es diesmal übernehmen«, entgegnete sie, hörte jedoch selbst, wie wenig überzeugend es klang.
    »Ach, kommen Sie mir nicht mit Ihrem Mann, hören Sie? Ihn können Sie sicher zu etwas anderem viel besser gebrauchen. Mein Rat: Lassen Sie einen Spezialisten ans Werk! Sie wissen, ich brauche die Knete. Gerade jetzt, wo …«
    Sie entfernte den letzten Knoten, schnitt den Faden ab und legte ihn zu den anderen, die wie tote Fliegen auf dem weißen Papier lagen, und inspizierte dann das Resultat. Eine kleine Erhebung, die sich möglicherweise etwas stark hervorwölbte, zeigte sich über der Lippe, was aber auch damit zusammenhängen konnte, dass seine Zähne nicht in Ordnung waren. Die Schwellung würde sich im Übrigen legen.
    »Sie lassen von sich hören, wenn etwas sein sollte«, wies sie ihn freundlich an, während er sich aufsetzte und sich das unbändige Haar nach hinten strich.
    »Übrigens«, begann er dann und wirkte mit einem Mal verbissen. »Sie sind doch Ärztin«, holte er weiter aus und wandte ihr zwei unglückliche Augen zu.
    »Ja?«
    »Da wissen Sie doch bestimmt, dass das Leben manchmal die reinste Hölle sein kann, oder?«
    »Ja, vielleicht.«
    »Ich muss Ihnen etwas anvertrauen. Meine Tochter ist verschwunden«, brachte er schließlich hervor.
    Wie furchtbar, dachte sie spontan. Entsetzlich.
    Vorausgesetzt, es stimmte.
    Und im selben Augenblick stellte sie fest, wie komplex und verworren sich das Dasein doch manchmal gestaltete. Wie hingen nur alle diese losen Fäden miteinander zusammen?
    »Das tut mir leid«, entgegnete sie deshalb vage.
    Er schüttelte den Kopf und seufzte, als sei er kurz davor, in Tränen auszubrechen. Sie hingegen wagte nicht, weitere Fragen zu stellen. Der Raum war erfüllt von Vorsichtigkeit. Von Rücksicht. Dieser hoch aufgeschossene Kerl sah aus, als könnte er jeden Moment zusammenbrechen.
    Sie wartete gespannt auf eine Fortsetzung.
    »Sie sagt jedenfalls, dass sie von mir ist. Aber das tun andererseits ziemlich viele Frauen heutzutage«, setzte er dann hinzu, als spräche er zu der Wand. »Sie will mich zur Verantwortung ziehen«, stellte er in einem Ton fest, der Veronika den Eindruck vermittelte, als handle es sich um einen Sachgegenstand.
    Der Seufzer, der darauf folgte, klang wehmütig. Möglicherweise gemischt mit etwas, das man im besten Fall als Stolz bezeichnen konnte. Der Vater aller Kinder! Der Mann, der seine Erbmasse weiträumig gestreut hatte.
    Die Stadt war klein. Man begegnete also gezwungenermaßen Menschen, die man vielleicht lieber nicht getroffen hätte. Veronika dachte, dass sämtliche der zweiundfünfzigtausend Einwohner vermutlich auf die eine oder andere Weise miteinander in Beziehung gebracht werden konnten. Unsichtbare Fäden hielten sie zusammen. Wenn nicht durch biologische Verwandtschaft, dann durch soziale

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