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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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zum Fenster und dann zu dem Stuhl. Es stand nur ein Besucherstuhl vor dem dunkel gebeizten Schreibtisch, auf den keiner von ihnen sich zu setzen getraut hatte.
    »Entschuldigen Sie, aber darf ich mich setzen?«, fragte sie.
    Ann-Christine Åkesson reagierte erst nicht, schien dann jedoch aus ihren Gedanken zu erwachen.
    »Entschuldigung, aber Sie möchten sich vielleicht auch setzen?«, fragte sie daraufhin Peter Berg in einem versöhnlicheren Ton. »Draußen im Korridor steht noch ein Stuhl.«
    Er öffnete die Tür und schlug sie um ein Haar der jungen Frau mit den abstehenden Ohren vors Gesicht, die offensichtlich davorgestanden und gelauscht hatte. Sie wurde feuerrot im Gesicht und zog sich schnell in ihr Büro zurück. Ann-Christine Åkesson nahm in der Zwischenzeit ein Telefongespräch entgegen, stellte dann das Telefon ab und kippte das Fenster, sodass die schwere feuchte Luft hereinkam und für ein wenig Frische sorgte.
    »Ich könnte Ihnen alles Mögliche über Doris erzählen«, fuhr sie mit einem schiefen Lächeln fort. »Es würde allerdings eine ganze Weile dauern, und außerdem wollen Sie das alles sicher gar nicht hören.«
    »Doch«, entgegnete Erika.
    »Papa hatte Doris kennen gelernt, als er Witwer wurde, sie war recht hübsch und sprühte regelrecht vor Lebensfreude. Doris war geschieden, und einer Verbindung stand nichts im Wege. Also zog sie zu uns nach Hause. Meine Schwester war gerade erst fünf und ich neun Jahre alt. Es war die reinste Hölle. Doris’ Sohn, der Arme, ein völlig verschüchterter Junge, war gerade zum Wehrdienst eingezogen worden. Ted heißt er. Sie haben vielleicht schon mit ihm gesprochen?«
    Sie antworteten nicht.
    »Er absolvierte nach dem Abitur also seinen Wehrdienst und wohnte dann einige Jahre in Uppsala«, erklärte sie. »Ihn konnte sie also nicht mehr dressieren. Erstaunlicherweise zog er danach wieder in die Stadt zurück, warum auch immer – aber das gehört nicht hierher. Doch wie es sich so entwickelte, hielt nicht einmal mehr mein Vater ihre Macken länger aus, auch wenn er sich sicherlich zu ihr hingezogen fühlte. Das verstand ich als Kind natürlich noch nicht, doch später wurde es mir klar. Die Angst vor Einsamkeit treibt die Menschen bekanntlich zu allen möglichen Handlungen. Sie zog jedenfalls aus, und die Jahre vergingen, bis sie ihn eines Tages wieder aufsuchte. Als er alt und leicht zu führen war und es eigentlich keine Hindernisse mehr gab. Keine Kinder. Der geeignete Zeitpunkt, um ihn dorthin zu bekommen, wo sie ihn haben wollte.«
    Ann-Christine Åkesson versuchte nicht einmal, ihre Wut zu unterdrücken. Sie war außer sich und schien plötzlich wieder neun Jahre alt und gleichzeitig erwachsen zu sein. Sie hatte nichts vergessen und dachte auch nicht daran, es zu tun.
    »Was passierte dann? Damals, als Sie ein Kind waren?«
    »Papa arbeitete, musste viel für seine Firma tun, war den ganzen Tag lang unterwegs, während Doris meiner Schwester und mir das Leben zur Hölle machte. Und ihm ebenfalls. Sie schrie, schimpfte, bekam Wutausbrüche, schlug uns sogar. Die Nächte waren der reinste Albtraum. Ich habe immer noch ihr Keuchen zwischen den Schlägen im Ohr. Wir beiden Kinder haben nie verstanden, warum sie uns das angetan hat.«
    Sie schaute aus dem Fenster, schaute in ihr Inneres.
    »Als Kind ist man in so einer Situation ziemlich ausgeliefert. Besonders wenn der eigene Vater nicht begreift, was da eigentlich geschieht. Papa wollte natürlich nicht, dass wir schlecht behandelt werden, aber er verstand es anscheinend nicht besser oder verschloss seine Augen davor. Denn das war wohl das Einfachste.«
     
    Als Peter Berg und Erika Ljung eine halbe Stunde später die Glaserei verließen, waren sie regelrecht benommen. Merkwürdigerweise hatte der Ehemann von Ann-Christine Åkesson, der Glasermeister selbst, während des gesamten Gesprächs nicht zu ihnen hineingeschaut. Entweder war ihm ihre Anwesenheit nicht aufgefallen, was recht unwahrscheinlich schien, oder das Paar Åkesson hatte bereits darauf gewartet, dass sie auftauchen würden, und sich entsprechend vorbereitet. Eine Strategie aufgestellt, ganz einfach. Berg und Ljung hätten gerne ein paar Worte mit ihm gewechselt, doch er befand sich mitten im komplizierten Prozess der Auswechselung der Frontscheibe. Daraufhin informierten sie die Ehefrau, dass sie vermutlich noch einmal auftauchen würden, eventuell sogar bei ihnen zu Hause, wogegen sie keine Einwände erhob.
    »Ziemlich typisches

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