Toedliche Blumen
Muster! Sie hat geradezu ihren Vater geheiratet«, stellte Erika vor der Tür fest. »Beide sind Glaser von Beruf.«
»Aha«, entgegnete Peter Berg, der von ihren schnellpsychologischen Schlussfolgerungen nicht gerade begeistert war, vor allem weil er weder selbst auf die Idee kommen würde, seine Mutter zu heiraten, noch von anderen hören wollte, dass er selbiges tun würde. Seine Mutter gehörte nämlich zu der Sorte Frauen, der er als Erwachsener eher auswich. So glaubte er jedenfalls. In gewisser Hinsicht hatte er sich mit ihrer Art abgefunden und damit, dass man sie nicht würde ändern können, genauso wenig, wie sie selbst dazu bereit wäre. Aber der Schritt dorthin, eine Frau wie sie zu heiraten, erschien ihm genauso lang wie eine Ewigkeit. Das war jedenfalls seine feste Überzeugung.
»Es handelt sich auf jeden Fall nicht um ihre blutverschmierte Kleidung, die man im Container auf der Müllkippe gefunden hatte.«
»Warum nicht?«, fragte er, während er den Rückwärtsgang einlegte.
»Die Größe. Sie waren bedeutend kleiner und vom Stil her ganz anders. Jeans, wenn ich mich recht erinnere. Ich schätze, sie da drinnen trägt mindestens Größe vierundvierzig.«
»Okay«, pflichtete Peter Berg ihr bei, da er sich mit Damengrößen nicht besonders gut auskannte. »Was denkst du ansonsten?«
»Einen Grund hätte sie ja. Oberflächlich betrachtet zumindest. Und sie hat sich ja nicht gerade davor gescheut, dick aufzutragen. Aber als Motiv benötigt man wahrscheinlich etwas mehr als eine schreckliche Kindheit. Jedenfalls wenn man einigermaßen normal veranlagt ist. Ich meine, etwas, das den Hass schürt. Missbrauch? Geld? Etwas, das die eigene Existenz extrem bedroht! Es könnte ja sein, dass die Firma nur Miese macht, während Doris ihren Vater regelrecht aussaugt. Vielleicht hat er sich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht länger um seine Töchter gekümmert. Sie zugunsten von Doris vernachlässigt. Oder Doris hat sich einfach dazwischengedrängt. Schätzungsweise gab er ihr alles, was er besaß. Und Doris hat die Töchter mit ihren eventuellen Geldforderungen systematisch um ihr Erbe gebracht. So etwas kann Menschen zur Verzweiflung treiben. Denk doch mal an die vielen Scheine im Karton! In dieser Hinsicht war sie eine ziemlich abgebrühte Geschäftsfrau. Kein Wunder, dass die Töchter wahnsinnig wurden.«
»Doris war anscheinend recht geschickt darin, sich festzubeißen. Nicht aufzugeben. Und Ausdauer zahlt sich am Ende aus!«
»Genau.«
»Ich frag mich nur, was sie mit dem ganzen Geld wollte. Sie brauchte doch gar nicht so viel, denn ihr Auskommen schien ja gesichert«, meinte Peter Berg.
»Man kann nie wissen. Und außerdem ist es ein gutes Gefühl, flüssig zu sein.«
Erika zuckte mit den Achseln und schaute durch das Seitenfenster in den Stadtpark mit seinen langsam ergrünenden Bäumen.
»Manche kriegen eben nie genug«, reflektierte sie weiter. »Reichtum verlangt nach mehr! Sparen und Geldanhäufen kann zu einer regelrechten Manie werden. Man beginnt sich mit anderen zu messen, unter denen sich garantiert immer einer befindet, der besser gestellt ist, mehr Geld besitzt, erfolgreicher ist. Vielleicht träumte sie davon, dass man sie nach ihrem Tod als reiche Frau bezeichnen würde. Eine, die ihrem Sohn ein umfangreiches Erbe hinterlässt.«
»Mit anderen Worten, es ihrem Exmann gleichzutun. Am Ende nicht schlechter dazustehen als Ted Västlunds Vater.«
»Ja, vielleicht. Es könnte aber auch sein, dass sie sich die Nähe ihres Sohnes erkauft hat. Seine Distanz zu ihr schmerzte sie vielleicht.«
Erika blickte verträumt durch die Windschutzscheibe.
»Was man alles mit einer halben Million anstellen könnte!«, seufzte sie. »Ich würde reisen. Eine Weltreise machen.«
Er sagte nichts.
»Aha«, entfuhr es ihm dann.
»Doris war vielleicht eifersüchtig auf Roos’ Töchter«, fantasierte Erika weiter. »Einige Menschen kommen mit einem konstanten Neid auf die Welt. Streben ihr Leben lang nach etwas, das sie doch nie erreichen können. Dass die Töchter von Folke Roos besser gestellt waren als Doris und ihr Sohn, setzte ihr vielleicht mehr zu, als man meinen könnte. Roos’ Mädchen würden ein umfangreiches Erbe erhalten, wovon ihr Sohn Ted nur träumen konnte. Eine so offensichtliche Diskrepanz, gegen die sie kaum etwas unternehmen konnte. Den alten Mann daraufhin auszunehmen war vielleicht eine späte Rache. Oder sie hat es ihm für etwas anderes heimgezahlt. Vielleicht dafür, dass
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