Toedliche Blumen
nach oben hochsteigen. Die Bodendielen im Obergeschoss knarrten unter seinen schweren Schritten. Brandt leuchtete in einen Garderobenschrank. Dort waren Mäntel und Jacken nebeneinander auf Bügeln aufgereiht. Unterdessen schaute sich Frid in der Toilette um.
Bis jetzt war ihnen jedenfalls noch kein Diebesgut untergekommen.
»Kommt!«, hörten sie Gren von oben rufen.
Sie liefen nacheinander die Treppe hinauf. Jesper Gren stand mit dem Rücken zu ihnen in der Türöffnung zu einem Schlafzimmer. Er trat ein wenig zur Seite, um sie vorbeizulassen, und richtete seine Taschenlampe auf das Bett.
Dort lag mit friedlich geschlossenen Augenlidern, wie ein gestrandeter Vogel, ein kleines Mädchen zusammengerollt auf der Seite. Sie traten näher und hoben vorsichtig die dünne Decke an. Strahlten ihr Gesicht an und glaubten zu erkennen, wie sich ihre Augen unter den blassen Augenlidern träge bewegten. Sie stellten fest, dass die Arme des Kindes auf dem Rücken zusammengebunden waren. Ein Strick schnitt in die Haut über den dünnen Handgelenken. Ihre Füße waren mehrfach mit weißer Wäscheleine umwickelt und ebenfalls zusammengebunden. Auf dem Fußboden stand ein Glas mit einem klebrigen gelben Inhalt.
Frid legte vorsichtig seine riesige Hand auf ihr Gesicht. Befühlte die Elastizität der Wangen.
»Sie ist warm. Sie lebt. Wir benötigen einen Krankenwagen!«
Louise Jasinski war es entgegen allen Erwartungen endlich gelungen einzudösen. Schlaftrunken griff sie nach dem Telefonhörer. Es war kurz nach zwei Uhr nachts.
»Wir haben sie gefunden«, teilte die Stimme am anderen Ende mit.
Louise begriff nichts.
»Hier ist Brandt. Viktoria ist in einem Haus in der Nähe von Kristdala gefunden worden. Zwar in relativ schlechtem Zustand, aber sie lebt. Leider ist in der Zwischenzeit noch etwas anderes vorgefallen. Kannst du ins Präsidium kommen?«
Sie glaubte, jeden Moment zu explodieren, da sie sich hin- und hergerissen fühlte. Sie wollte unbedingt zusagen und dabei sein, jetzt, wo sich alles zuzuspitzen schien, mochte aber ihre beiden Töchter nicht allein lassen, auch wenn sie nicht mehr ganz so klein waren.
»Ich bin leider allein mit den Kindern«, antwortete sie und klang jetzt ein wenig entschlossener. »Worum geht es denn?«
Brandt informierte sie in groben Zügen über den Schuss, der Conny Larsson getroffen hatte, und das Fluchtfahrzeug.
»Wie geht es Larsson?«
»Er wird es überleben, aber es stecken mehrere Kugeln von einer Schrotflinte in seinem Oberschenkel. Vielleicht sogar in beiden. Wir wissen noch nicht, wie es sich entwickeln wird.«
»Der Fahrzeughalter?«, wollte sie wissen. »Habt ihr den Halter des Wagens ausfindig gemacht?«
»Sicher gestohlen«, meinte Brandt. »Er ist auf eine Frau mit dem Namen Clary Roos angemeldet.«
Louise wurde mit einem Mal hellwach und empfand ihre Unabkömmlichkeit als noch größeren Hemmschuh. Doch ihr Beschluss stand fest, sie konnte ihre Töchter ganz einfach nicht allein lassen. Erklärte Brandt ihre missliche Lage erneut und fügte hinzu, dass sie sich liebend gerne in zwei Hälften geteilt hätte. Er ging nicht weiter darauf ein, was bewirkte, dass sie sich auf ihrem Platz an der Bettkante mit den Füßen auf dem Wollteppich aus der Türkei sowohl dämlich vorkam als auch ihre eigene Unzulänglichkeit überdeutlich spürte. Als sie endlich genügend zu Kreuze gekrochen war, fiel ihr das einzig Richtige ein.
»Peter Berg und Erika Ljung müssen unbedingt angerufen werden. Sie wissen schon, worum es geht. Ich bleibe hier zu Hause erreichbar und werde mich bei ihnen melden. Wie viele waren es übrigens?«
»Wo?«, fragte Brandt nach.
»Im Fluchtfahrzeug.«
»Aspirantin Jönsson war sich ziemlich sicher, dass es sich nur um eine Person handelte. Aber sie kann sich natürlich auch vertan haben. Es war immerhin dunkel, und sie stand unter Schock.«
Louise rief zuerst bei Peter Berg an. Innerhalb von einer halben Sekunde war er hellwach.
»Entweder sind beide auf der Flucht oder nur einer von ihnen, und in dem Fall wohl eher der Mann«, meinte Louise. »Er ist nach meiner Einschätzung der Hartgesottenere von beiden. Clary Roos könnte sich möglicherweise zu Hause versteckt haben, oder warum nicht bei ihrem Vater?«, schlug sie vor. »Halt mich auf dem Laufenden!«
Danach holte sie Erika Ljung mit ihrem Anruf aus dem Tiefschlaf, die anfänglich mehr tot als lebendig klang, jedoch bald zu sich kam und versprach, ins Präsidium zu fahren. Sie gehörte
Weitere Kostenlose Bücher