Toedliche Blumen
Bruder aufpassen, während Mama sich anzog.
Alicia Braun. Erika Ljung verglich den Namen an der grau gestrichenen Wohnungstür mit dem auf ihrem Berichtsformular, bevor sie klingelte.
Es war halb zwölf. Während der morgendlichen Zusammenkunft hatten sie neue Anweisungen erhalten, die allerdings wenig überraschend das aktuelle Thema »Gefahren der gemeinschaftlichen Nutzung von Waschküchen« zum Inhalt hatten. Der Zeitungsartikel war in Form von Kopien herumgegangen. Der gewöhnliche Schwede schien keineswegs träge oder gar gleichgültig zu sein, falls jemand das denken sollte, hatte Janne Lundin die Zeilen kommentiert. Im Gegenteil, er konnte mächtig in Rage geraten.
Die Wäscheberge, die inzwischen aus den Maschinen entfernt worden waren, befanden sich weiterhin bei den Technikern. Man hatte immer noch nicht die rechtmäßigen Eigentümer ausmachen können. Von der Schmutzwäsche auf dem Boden hingegen wusste man, dass sie der Zeugin gehörte, die Hilfe geholt hatte, nämlich der verhältnismäßig jungen Mieterin Hård. Nach Auskunft von Peter Berg hatte sie sich den Erwartungen entsprechend verhalten. Vielleicht etwas hysterisch. Es würde wohl noch einige Zeit dauern, bis sie sich erholt hätte, behauptete er jedenfalls.
Einen höheren Spannungsfaktor würde dieser dem Anschein nach unkomplizierte Fall wohl nicht bereithalten, mutmaßte Erika Ljung. Streitigkeiten in Waschküchen zählten eher zu den weniger glamourösen, banalen und oftmals von zänkischen Weibern angezettelten Szenarien. Also würde wohl das Übliche auf sie zukommen. Ihr blieb sowieso nichts anderes übrig, als sich auf den Weg zu machen.
Louise Jasinski hatte betont, dass möglichst alle Nachbarn im Laufe des Wochenendes angehört werden sollten. Nach Auffassung von Technik-Benny war statistisch gesehen einer unter ihnen der Schuldige – welcher Statistik auch immer er sich bediente. Jedenfalls hatte Louise ihm zugestimmt. Sie sah übrigens derart müde aus, dass man meinen könnte, sie leide am Burn-out-Syndrom. Wenn sie allerdings bereits nach so kurzer Zeit der Vertretung von Claesson unter Schlafstörungen litt, war zu befürchten, dass sie nicht mehr lange durchhielt. So schätzte Erika die Sache jedenfalls ein. Jasinski hatte außerdem Probleme zu Hause. Alle wussten davon, doch sie sprach nicht offen darüber. Jedenfalls nicht mit Erika. Lebte wahrscheinlich in Scheidung oder dergleichen. So etwas zehrte natürlich auch am Schlaf.
Erika begann mit den Fingerknöcheln gegen die Tür zu trommeln. Sie wusste nicht, warum sie so sicher war, dass jemand zu Hause war, obwohl keiner öffnete. Sie drückte ein weiteres Mal ihren schmalen Zeigefinger auf die Klingel und ließ die Signale mindestens fünfzehn Sekunden lang durch die Wohnung dringen. Dann hörte sie endlich ein dumpfes Geräusch, und nach einer Weile näherten sich von innen Schritte, woraufhin jemand mit dem Schloss zu hantieren begann. Es handelte sich höchstwahrscheinlich um ein Sicherheitsschloss. Die Schritte entfernten sich, kamen jedoch nach einer halben Minute wieder. Erika wartete geduldig. Ein Glück, dass es sich nicht um Feueralarm handelte, dachte sie. Schließlich wurde aufgeschlossen, und die Tür öffnete sich.
Aus einem verquollenen Gesicht starrten sie rot geränderte Augen fragend an.
»Was gibt’s?«
Trotz der relativ fortgeschrittenen Stunde waren die Stimmbänder ihres Gegenübers an diesem Tag offensichtlich noch nicht benutzt worden. Außerdem schien ihre Kehle einer langen und ausgiebigen Imprägnierung mit Zigarettenrauch ausgesetzt gewesen zu sein.
Erika Ljung brachte kurz ihr Anliegen vor und wurde hereingelassen.
Die Luft in der Wohnung war abgestanden. Ansonsten sah es in den Räumlichkeiten recht ansprechend aus. Erika hatte schon die unterschiedlichsten Einrichtungsstile in diesem Gebäude zu Gesicht bekommen, doch dieser gefiel ihr auf Anhieb, was nicht zuletzt daran liegen mochte, dass Alicia Braun und sie ungefähr gleich alt waren.
»Ich habe keine Ahnung«, krächzte Alicia Braun heiser und betrachtete Erika skeptisch, die daraufhin sicherheitshalber ihren Polizeiausweis vorzeigte.
Alicia Braun war klein und derart gut aussehend, dass sie vermutlich sogar aus einer größeren Menschenmenge herausstechen würde. Sie nahm sich wie ein Farbklecks auf einer grauen Wand aus. Erika Ljung, die selber auf ihre Weise mit einer Farbenpracht aufwarten konnte, spürte eine gewisse Verbundenheit mit der jungen Frau. Und doch waren
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