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Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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auf den Hof, um frische Luft zu schnappen, bevor sie die nächste stickige Wohnung betreten musste.
    Im Hof war es warm. Die Hauswände boten Windschatten. Sie stellte sich auf das Kopfsteinpflaster, lehnte den Oberkörper gegen die roten Backsteine und hoffte, dass keiner durch die Fenster beobachtete, wie sie dort stand und sich ausruhte. Sie spähte in den bewölkten Himmel. Die Sonne schaffte es noch nicht, die Wolkenschicht zu durchdringen, aber das Licht war dennoch so stark, wie es nur an einem frühen Frühlingstag sein konnte.
    Gestern in der Kneipe war es recht spät geworden, und sie fühlte sich schlapp, doch das war nicht weiter schlimm. Sie hatte einen lustigen Abend mit Peter Berg verbracht. Die Spannungen von früher hatten sich mittlerweile aufgelöst, und sie waren gute Freunde geworden. Sie musste lächeln und stellte fest, dass es ihr gut ging. Im Großen und Ganzen jedenfalls. Sie war frei, hatte keine Verpflichtungen, keine nervenzehrende Liebesbeziehung, die sie beanspruchte. Im Moment war sie ganz auf sich selbst gestellt, und das war auch gut so. Jedenfalls für eine Weile. Die Kopfschmerzen, die sie seit ihrer schrecklichen Misshandlung vor bald zwei Jahren in regelmäßigen Abständen geplagt hatten, waren inzwischen völlig verflogen. Es handelte sich wohl mehr um einen Spannungskopfschmerz, hatte ihr Arzt gemeint. Verspannungen. Alles braucht seine Zeit. Und das hatte sie wahrhaftig lernen müssen. Vor allem aber brauchte es Zeit, sich zu gewöhnen. Sich auf etwas einzustellen. Dass sich gewisse Bereiche in ihrem Gesicht bei Berührung nach wie vor taub anfühlten, hatte sie am Anfang zum Beispiel stark beunruhigt. Alles sollte exakt wie vorher sein, bevor ihr Gesicht zerschlagen wurde und sie eine Vielzahl von Operationen über sich hatte ergehen lassen müssen. Doch jetzt kümmerten sie die Missempfindungen nicht mehr. Sie hatte sich daran gewöhnt. Darüber hinaus hatte sie sich auch mit dem Gedanken angefreundet, dass es vermutlich für immer so bleiben würde.
    Erika schaute auf die Uhr. Es wurde Zeit, sich die nächste Wohnung vorzunehmen, auch wenn sie keine Lust verspürte, sich angesichts des schönen Wetters in geschlossenen Räumen aufzuhalten.
    Sie betrat das Treppenhaus des genau gegenüberliegenden Gebäudeteils, um Kjell Johansson aufzusuchen. Auf dem Namensschild an der Tür bemerkte sie, dass eine Initiale zwischen Vor- und Nachnamen geklemmt war. »Kjell E. Johansson« stand dort in großen Druckbuchstaben. Doch Kjell E. Johansson war nicht zu Hause.
     
    Louise Jasinski war von dem Anruf aus der Gerichtsmedizin in Linköping nicht besonders überrascht. Sie saß gerade mit Lundin im Auto.
    Doris Västlund war tot oder zumindest hirntot. Die Ärzte würden nur noch eine so genannte Arteriografie durchführen, bevor man die künstliche Beatmung einstellte, teilte ihr der Gerichtsmediziner mit. Man tat dies, um sicherzugehen, ob tatsächlich keine Blutzirkulation mehr im Gehirn stattfand. Er versprach, wieder von sich hören zu lassen, sobald er die Leiche eingehender untersucht hatte. Louise wollte wissen, ob einer der Angehörigen, in diesem Fall der Sohn, unterrichtet war. Darüber wusste der Mediziner nichts, wollte sich jedoch darum kümmern. Es war einfacher, wenn er es tat, als wenn Louise selbst anrief, denn sie wusste aus Erfahrung, dass das Krankenhauspersonal nicht besonders auskunftsfreudig war. Man hielt sich im Allgemeinen strikt an die Schweigepflicht und äußerte sich nur ungern, wenn man nicht absolut sicher war, an wen die Informationen flossen. Es waren bereits einige Missgeschicke diesbezüglich vorgekommen, unter anderem hatten sich Journalisten zur Klinik durchgelogen, womit sowohl den Patienten als auch ihren Angehörigen unnötig Schaden zugefügt worden war.
    Sie beendete das Gespräch.
    »Somit läuft der Fall jetzt unter Mord oder Totschlag«, sagte sie geradeheraus.
    »Aha. So schnell kann es also gehen!«, lautete Lundins Kommentar.
    Sie hatten gerade den Parkplatz des Polizeipräsidiums verlassen und befanden sich auf dem Weg in die Friluftsgatan zu Doris Västlunds Wohnung, die genauer inspiziert werden sollte. Louise, die am Steuer saß, schaltete herunter und hielt an einem Zebrastreifen. Es war Samstag, und dementsprechend waren viele Leute in der Stadt unterwegs. Sie fuhr an der weißen Kirche, die zum Teil von hohen Bäumen des angrenzenden Parks verdeckt wurde, vorbei in Richtung Westen. Schräg hinter dem Park lag die Schwimmhalle.

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