Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Blumen

Toedliche Blumen

Titel: Toedliche Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
Vom Netzwerk:
einen Saal gemietet«, schätzte Daniel Skotte.
    »Hast du jemanden dabehalten?«, fragte Veronika.
    »Nur einen. Kann wohl heute wieder nach Hause gehen«, nickte Rheza. »Hat eine große Platzwunde am Mund. Ich musste nähen. Hat zwei, vielleicht mehr Zähne verloren. Ich weiß nicht genau. Hat Antibiotika bekommen. Sehr hässliche Geschichte. Viel Alkohol, er schläft jetzt. Vielleicht Commotio.«
    »Aha«, bemerkte Veronika und sah das übliche Wochenendszenario vor sich. Blutergüsse, ausgerenkte Kiefer, gebrochene Finger, Gehirnerschütterungen. Schlägereien unter Einfluss von Alkohol in rauen Mengen.
    »Viele Personen kamen. Freunde im Wartezimmer«, seufzte Rheza. »Ziemlich böse. Sie schrien und wollten reden.«
    »Wir bräuchten zusätzliches Wachpersonal an den Freitag- und Samstagabenden«, fand Daniel Skotte. »Einer einzigen Schwesternhelferin kann man ja wohl nicht zumuten, eine Horde wilder, so genannter Freunde, die in ihrem Alkoholrausch im Wartezimmer herumwanken und auch noch aufmüpfig werden, im Auge zu behalten.«
    Das Problem war altbekannt. Allerdings hatte sich die Gewaltbereitschaft in der Notaufnahme noch weiter erhöht. Und bisher hatte man immer noch keine Lösung parat. Und natürlich fehlten die Gelder. Wie immer.
    »Es wird wohl erst jemand zu Schaden kommen müssen, bevor etwas unternommen wird«, lautete Daniel Skottes Einschätzung.
    Bevor Rheza Parvane nach Hause ging, kamen sie auf den Fall der Misshandlung zu sprechen.
    »Viel konnten wir nicht unternehmen«, schloss Veronika.
    »Traurige Angelegenheit«, entgegnete Daniel Skotte, woraufhin sie sich von Rheza verabschiedeten, den Tresen der Notaufnahme passierten und in Richtung nach oben unterwegs waren, um die Visite auf der Station abzuhalten.
    »Wartet mal kurz!«, rief ihnen eine Schwester zu. Sie kamen zurück und erblickten die gewaltige Akte in ihrem Arm. »Viola Blom ist wieder da«, sagte sie und verdrehte die Augen. »Sorry!«
    »Aber ich habe sie doch gerade erst nach Hause geschickt. Gestern war sie noch gesund und munter«, sagte Veronika verwundert.
    »Das ist sie heute auch.«
    »Täuscht sie wieder Magenprobleme vor?«
    Die Schwester nickte.
    »Mit anderen Worten, ungefähr dasselbe wie immer.«
    »Ja. Möglicherweise ist sie noch etwas magerer geworden. Sie scheint überhaupt nichts zu essen«, sagte die Schwester.
    »Hat ihr Sohn sie hergebracht?«
    »Nein.«
    »Gestern auch nicht«, bemerkte Veronika.
    »Er taucht wohl nur auf, wenn sie stationär untergebracht ist«, schaltete sich Daniel Skotte ein.
    Alle kannten den Fall Viola Blom. Jedenfalls alle, die lange genug in der Klinik beziehungsweise im Notdienst gearbeitet hatten. Schon viele Ärzte hatten sich mit Enthusiasmus und großer Empathie der Patientin angenommen und geglaubt, eine endgültige Lösung für die zierliche alte Frau parat zu haben. Sie hatten Eingaben an die unterschiedlichsten Institutionen geschickt, an den Bezirksarzt, die Gemeindeschwester, das Sozialamt. Doch alles war letztlich für die Katz gewesen. Der medizinische Befund wurde als zu dünn abgewiesen. Sie litt unter keiner speziellen Krankheit, und körperlich war sie nicht schlechter dran als andere in ihrem Alter, also um die fünfundsiebzig. Ein leicht erhöhter Blutdruck, ein altes, ausgeheiltes Magengeschwür und eine Schilddrüsenerkrankung, die ebenfalls der Vergangenheit angehörte. Noch vor zehn Jahren wäre diese Art von Symptomatik unter die Rubrik »Causa socialis« gefallen, ein Begriff, der heutzutage völlig überholt war. Und jetzt konnten sie unternehmen, was sie wollten, doch Viola Blom erschien in mehr oder weniger kurzen Abständen aufs Neue. Dem Krankenwagenpersonal war sie bereits bekannt. Die Notaufnahme – und nicht, wie man hätte annehmen können, ihr Sohn – schien ihr einziges Ventil zu sein, ihr Zugang zur Außenwelt. Und diese Tatsache hatte dazu geführt, dass sie sich regelmäßig und unabhängig davon, ob Krankenschwestern oder Ärzte der Meinung waren, dass sie dort hingehörte oder nicht, ins System einschleuste.
    Veronika seufzte.
    »Genau«, bestätigte sie Daniels Aussage resigniert. »Eigentlich müsste der Pflegedienst seiner Verantwortung gerecht werden. Und vonseiten der Gemeinde müsste ihre Pflegestufe überprüft und möglicherweise korrigiert werden«, stellte sie fest.
    »Aber im Augenblick hilft uns das auch nicht weiter«, bemerkte die Schwester.
    »Wie viele freie Betten haben wir denn?«, wollte Skotte wissen.
    »Vier«,

Weitere Kostenlose Bücher