Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
besetzten Dolch aus dem Gürtel und legte ihn auf die Bahre neben den Toten.
„Nimm diese Waffe mit dir, edler Mann, sie ist eines großen Kriegers würdig“, fuhr er fort. „Ich gebrauchte sie oft, um mich gegen das Mördergezücht jenseits der Elbe zu verteidigen. Jedes Mal, wenn ich sie künftig vermisse, werde ich mich daran erinnern, was ich dir schuldig bin. Aber nicht lange wird der Tag auf sich warten lassen, an dem du gerächt sein wirst!“
Der Graf gab den Trägern ein Zeichen, und sie hoben den Toten auf. Es war ein Graubart mit einer frischen Hiebwunde im Gesicht, den sie in voller Kriegsrüstung in den aus rohen Brettern gezimmerten Sarg legten. Im Grabe wurde er wie schon beim Leichenzug mit seinem Schild bedeckt. In der geräumigen Kiste lagen bereits ein Schwert, eine Lanze, ein Bogen und Pfeile – Dinge, die im Himmel der Christenheit zwar nicht benötigt werden, weil es dort friedlich zugeht, die man aber zur Sicherheit mitgibt. Es könnte ja sein, denken diese Halbbekehrten, dass der Tote doch in Walhall landet. Soll er dort, wo ewiger Kampf herrscht, unbewaffnet erscheinen?
Die Knechte begannen, die Grube zuzuschaufeln. Ein letztes Mal erhoben die Frauen ihr Klagegeheul.
Eine, die neben dem Grafen stand, gebärdete sich wie von Sinnen und schrie immer wieder: „Berulf, mein Bruder, vergib mir! Vergib mir!“
Waratto ergriff sie am Arm und sagte: „Du bist ja nicht schuld, Gerberga, beruhige dich! Du wolltest nur, dass er unsere Tochter beschützte!“
Da stieß sie einen gellenden Schrei aus. „Oh, mein Kind, meine Tochter! Auch sie ist schon tot, ich fühle es! Die wendischen Teufel haben sie umgebracht!“
Nun wurden ringsum zornige Rufe laut.
„Das sollen sie büßen!“
„Die werden ihre Strafe bekommen!“
„An die Bäume mit den Filzhüten!“
Einige jüngere Krieger trommelten auf ihre Schilde. Andere stießen Lanzen und Schwerter in die Luft.
Odo, der neben mir stand, warf einen besorgten Blick hinter sich. Nur wir beide waren dem Leichenzug gefolgt, unser Trupp mit dem Wagen und den Tieren war in einiger Entfernung zurückgeblieben.
„Nur gut“, sagte ich leise, „dass du Sparuna und Niklot befohlen hast, auf dem Wagen zu bleiben und sich vorerst nicht zu zeigen. Sonst würde man sie vielleicht auf der Stelle umbringen.“
„Das sollten sie wagen!“, knurrte er. „Wer mit Odo von Reims unterwegs ist, hat nichts zu befürchten.“
Das klang alles andere als überzeugend.
Unsere erste Begegnung mit Graf Waratto war auch keineswegs dazu geeignet, unser Selbstvertrauen zu stärken.
Als unsere Abordnung und der Leichenzug sich aufeinander zu bewegt hatten, waren Odo und ich ein wenig vorausgeritten. Wir saßen ab, als der Tote vorübergetragen wurde, und verneigten uns tief.
Da löste sich Graf Waratto aus dem trauernden Gefolge, trat auf uns zu, maß uns mit einem finsteren Blick und fragte: „Seid ihr die Verstärkung, die mir der Kaiser schickt? Ist das alles? Der jämmerliche Haufen dort?“
Diese unerwartete Anrede verschlug nicht nur mir, sondern sogar Odo die Sprache, was nicht oft vorkommt.
Er räusperte sich und wollte mit angemessenen Worten erklären, weshalb wir gekommen waren.
Aber Waratto wartete die Antwort nicht ab und fuhr fort: „Eine Hundertschaft hatte ich verlangt! Und was bekomme ich? So schätzt man also bei Hof unsere Dienste, unseren täglichen Einsatz auf Leben und Tod! Da – schon wieder ein edler Mann, den wir zu Grabe tragen müssen! Ermordet beim tückischen Angriff auf einen Brautzug! Aber man schickt uns als Verstärkung ein paar Veteranen und einen Kuttenträger. Dies ist ein Grenzgau, kein Platz zum Ausruhen!“
„Wir haben auch nicht die Absicht, uns auszuruhen!“, versuchte Odo zu erklären. „Wir sind gekommen, um …“
„Wozu ihr gekommen seid, werdet ihr bald erfahren – von mir!“, fuhr Waratto dazwischen. „Zu tun gibt es hier genug. Ich werde schon dafür sorgen, dass ihr euch nicht langweilt. Aber jetzt habe ich keine Zeit, ich muss eine traurige Pflicht erfüllen!“
Er ließ uns stehen und trat wieder an die Spitze des Leichenzugs, der ins Stocken geraten war. Odo gab unseren Männern ein Zeichen zurückzubleiben. Um Impetus und Grisel kümmerte sich Fulk, und wir beide schlossen uns den Trauernden an.
„Netter Empfang“, bemerkte ich halblaut.
„Er hat mich nicht wiedererkannt“, sagte Odo. „Oder er tut nur so, als kenne er mich nicht, weil ihn sein schlechtes Gewissen an etwas
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