Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
die vollendete Tatsache anzuerkennen! Er wird sie mir zur Frau geben müssen – und eine Grafschaft dazu. Wo sollte ich sonst die Morgengabe hernehmen?“
Er riss am Zügel und wendete sein Pferd.
„Nein, Odo, nein!“, rief ich verzweifelt. „Besinne dich! Denk auch an uns! Man wird uns für mitschuldig halten. Das kann uns alle den Hals kosten! Odo, bleib hier!“
Ich streckte den Arm aus und erwischte ihn an einem Bein, indem ich meine Finger hinter das Lederband steckte, das kreuzweise um seine Wade geschlungen war.
„Lass los!“, befahl er.
„Nur wenn du versprichst, diesen Unfug zu unterlassen!“
„Nimm deine Hand weg oder …“
„Willst du sie abschlagen?“
„Ich tu es, wenn du mich weiter hinderst, mein Glück zu machen!“
„Was für ein Glück soll das sein! Was soll daraus werden? Wohin willst du sie bringen?“
„Das geht dich nichts an! Die Hand weg, sag ich!“
„Nein!“
Er stieß mehrmals mit dem Fuß nach mir, um mich abzuschütteln. Aber ich krallte mich an dem Wadenband fest. Er gab Impetus einen Schlag mit der Gerte. Der Hengst stieg hoch und stürmte los, auf dem Weg zurück. Mein Grisel hielt ein kurzes Stück mit, und ich hing dabei jämmerlich zwischen Esel und Pferd. Dann strauchelte Grisel und warf mich ab. Im Fallen riss ich Odo mit mir. Wir beide, Gesandte und Boten des Kaisers, wälzten uns im Schmutz auf dem Boden.
Unsere Leute waren auseinandergestoben, als wir plötzlich kehrtgemacht hatten und im Galopp an ihnen vorbeirasten. Jetzt saßen sie ab, rannten hinter uns her, halfen uns auf. Helko und Fulk fingen unsere Reittiere ein. Mit Schlamm und Kot bedeckt, standen wir da und boten unserem Trupp einen peinlichen Anblick. Odo starrte mich wütend an, und seine gewaltige Nase war über mir wie der Schnabel eines Riesenvogels, der gleich auf mich einhacken würde.
Vorsichtshalber humpelte ich ein paar Schritte beiseite und stammelte eine wirre Erklärung. „Ein Unglücksfall … Mein Grisel ist schuld … stieß Impetus dauernd an. Auf einmal drehten sie sich im Kreise und wollten sich beißen … und so … und so …“
„… und so wurde daraus eine Eselei“, vollendete Odo. „Es ist aber feige und ungerecht, daran einem anderen Esel die Schuld zu geben!“
Er bleckte die Zähne und lachte. Wir stimmten ein, auch ich, obwohl ich beleidigt sein sollte. Unsere Männer verstanden zwar nichts, waren aber erleichtert, weil sie befürchtet hatten, die Reise würde gleich mit einem handfesten Krach zwischen uns beginnen. Odo bewies einmal mehr sein Talent, im richtigen Augenblick durch einen Scherz für Entspannung zu sorgen. Natürlich hatte er eingesehen, dass sein kühnes Vorhaben gescheitert war. Wie konnte er die hübsche kleine Prinzessin in einem mit Schafsdreck bedeckten Mantel entführen! Der Zug mit der Sänfte hatte inzwischen auch das Stadttor erreicht und entschwand unseren Blicken.
Wir säuberten uns, so gut es ging, an einem Bach, das Übrige tat die Frühlingssonne. Während wir unsere Kleider auswrangen, zischten wir uns noch ein paar Beleidigungen zu. Er sagte: „Kleinmütiger Wicht!“
Ich erwiderte: „Größenwahnsinniger Wichtigtuer!“ Und es folgten noch ein paar derbere Ausdrücke. Doch dann war es abgetan, und wir setzten uns wieder in schöner Eintracht an die Spitze unseres Zuges.
Ich glaube, dass Odo mir insgeheim dankbar war. Aber das würde er niemals zugeben.
Unsere Reise in den Grenzgau am Ufer der Elbe dauerte nicht weniger als 34 Tage.
Ich will mich nicht allzu ausführlich über die Beschwerlichkeiten des langen, im Zickzack verlaufenden Weges auslassen. Man kommt ja nicht auf gerader Straße zu den Sachsen, zu den Wenden erst recht nicht. Anfangs reisten wir bei ruhigem Wetter recht angenehm. Auf der gallischen Seite des Rheins gibt es noch einigermaßen instand gehaltene römische Straßen, und wir konnten in Herbergen und auf Krongütern übernachten. Am dritten Tag erreichten wir die altehrwürdige Stadt Köln. Von hier aus folgten wir dem Rhein in nördlicher Richtung und gingen in Höhe der Festungsruinen von Vetera Castra über den Fluss. Auf der anderen Seite, längs der Lippe, gibt es ebenfalls noch eine Straße, die die Römer angelegt hatten, freilich ist sie in erbärmlichem Zustand. Ihr folgten wir bis zu dem früheren Römerkastell Aliso, wo wir am 12. Tag eintrafen und vorerst zum letzten Mal eine Herberge vorfanden. Wir mussten nun, um nicht einen zu großen Umweg zu machen, Trampelpfaden über Berg
Weitere Kostenlose Bücher