Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
Häuptling Remmert Rücksicht auf Bräute, wenn Sklavinnen werden gebraucht zum Verkaufen?“
„Du glaubst, die beiden hätten bei euch wieder Menschen geraubt? Das ist nur eine Vermutung, ihr wart lange nicht hier. Was ihr dem Kaiser berichtet habt, ist vor Jahren geschehen.“
„Geschieht jedes Jahr dasselbe“, ließ sich Niklot vernehmen. „Immer um diese Zeit.“
„Was heißt das … um diese Zeit?“
„Wenn Sommer beginnt. Wenn Händler Bromios aus Hispania kommt.“
„Kommt mal früher, mal später, hat niemals Zeit, ist sehr ungeduldig“, ergänzte Sparuna. „Dieses Jahr Wetter ist günstig, kommt sicher früh. Ist deshalb gut, für ihn Vorrat bereitzuhalten.“
„Menschenvorrat?“, fragte Odo. „Und wo wird der aufbewahrt?“
„Wo aufbewahrt? Dort, in der Burg.“
„Tatsächlich? Ist dort so viel Platz, dass man Hunderte einsperren kann? Wo stellt man denn den gewaltigen Käfig auf?“
„Nicht Käfig. Und warum einsperren? Franken und Sachsen zwingen Obodriten zu Arbeit. Häuser bauen, Bäume fällen, pflügen, spinnen, weben … so lange, bis Händler sie abholt. Macht doppelten Gewinn für Franken und Sachsen.“
„Versteht sich, Waratto hat sich schon immer gern doppelt bedient“, sagte Odo. „Aber in diesem Fall müsste man ihm leicht auf die Schliche kommen. Ihr beide kennt doch die Leute alle, die aus den Dörfern da drüben … Wenn die Burg voller wendischer Sklaven steckt, braucht ihr nur mit den Fingern auf sie zu zeigen. Das Übrige wäre dann unsere Sache.“
„Hör mal, Odo“, wandte ich ein, „meiner Meinung nach wäre es leichtfertig, die beiden mit in die Burg des Grafen zu nehmen. Da drinnen werden sie jetzt trinken und Reden schwingen und sich weiter erhitzen. Welchen Schutz können wir ihnen bieten, wenn man sie plötzlich angreift?“
„Fragen stellst du!“, erwiderte Odo und schloss die Faust um den Griff seines Schwertes. „Das ist ihr Schutz! Aber wir wollen ihnen die Entscheidung selbst überlassen. Ihr habt gehört, was Lupus befürchtet. Ihr seid in dieser Gegend zu Hause, kommt sicher auf Schleichwegen zur Elbe und irgendwie auch hinüber. Dagegen wäre nichts einzuwenden. Wir würden uns dann später bei Knes Ratibor wiedersehen.“
Sparuna und Niklot flüsterten kurz miteinander, dann sagte der Sichelbart: „Nein, Herr Odo, wir keine Angst, weil im Recht! Wir helfen, dass Wahrheit herauskommt. Ist besser. Sonst Graf Waratto erzählt Euch nur Lügen.“
„Gut“, sagte Odo, „dann werden wir jetzt die Kleider wechseln und glanzvoll einziehen! Und dann wollen wir doch mal sehen, wie dieser aufgeblasene Hugobertiner zusammenschrumpft. Das wird ein Spaß für den Nachfahren Chlodwigs!“
Während Odo sich an einem Bächlein, das in der Nähe vorbeifloss, den Reisestaub abwusch, blieb ich noch einen Augenblick bei den Wenden stehen.
„Wer oder was ist Zelibor?“, fragte ich. „Ist das ein Ort oder ein Mann?“
„Ist schlechter Kerl“, sagte Sparuna. „Von Stamm der Wilzen. Nach Krieg mit Obodriten er floh zu Remmert und hat jetzt Wirtshaus unten an Flussufer. Wir glauben, er ist Kundschafter für Waratto und Remmert.“
„Züchtet er Schafe?“
„Ja, züchtet Schafe, viele Schafe. Hält auch Schweine und Kühe. Fängt Fische. Macht alles. Ist einziges Wirtshaus weit und breit, macht gutes Geschäft.“
„Kehrt Bromios bei ihm ein, wenn er in dieser Gegend ist?“
„Alle kehren bei Zelibor ein. Wer kommt von Bardowick und will nach Rerik und Mecklenburg. Oder nach Norden zu Dänenkönig. Zelibor ist auch Fährmann, bringt Reisende über Elbe-Fluss.“
Odo hatte also beschlossen, glanzvoll in der alten Sachsenburg einzuziehen. Ich gestehe, dass ich ihm die Genugtuung gönnte. Obwohl wir ja ranggleich sind, überlasse ich ihm auch gern den Vortritt, wenn wir irgendwo ankommen oder auftreten. Er ist nun einmal als großes, eindrucksvolles Mannsbild dazu besser geeignet als ich kleiner kahlköpfiger Kloß. Rouhfaz musste noch schnell die gestickte Borte seiner blauen Tunika ausbessern. Darüber warf Odo einen noch nie von ihm getragenen, nur festlichen Gelegenheiten vorbehaltenen Purpurmantel. Dieses Kleidungsstück aus schwerem Seidengewebe, das allerdings schon recht fadenscheinig und an einigen Stellen geflickt war, hatte er einem Hofbeamten, der die Kleiderkammer verwaltet, abgeschwatzt. Angeblich war unser Herr Karl, der sonst die einfache Frankentracht bevorzugt, vor Jahren bei Reichsversammlungen und anderen hohen Anlässen
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