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Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Titel: Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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nun das Pergament mit langen, sorgsam ausgerichteten Reihen von Buchstaben bedeckt.
    Graf Waratto nahm das Blatt, und sein Blick wurde starr.
    Diesen Blick kannte ich. Nicht das erste Mal war es ja, dass ich Würdenträgern unser Ernennungsschreiben überreichte. Buchstaben, die Worte und Sätze formten, waren für die meisten von ihnen feindliche Soldaten, Krieger einer bedrohlich aufmarschierten Phalanx, deren Angriff man ahnungslos und unwissend ausgesetzt war. Waratto starrte und hielt sich das Pergament ganz dicht vor die Augen, um sich den Anschein zu geben, dass er lese.
    Das „Studium“ dauerte so lange, dass Odo ungeduldig wurde.
    „Nun?“, rief er. „Seid Ihr im Bilde? Wisst Ihr jetzt, wer wir sind? Ist Euch klar, warum wir Euch aufsuchen?“
    Waratto schoss einen kurzen wütenden Blick zu ihm hinauf und winkte einen von seinen Leuten heran.
    „Reite los und hol Chrok her, den Bischof! Ich muss mich mit ihm beraten!“ Zu mir sagte er: „Das muss erst geprüft werden! Gründlich geprüft!“
    „Aber das verstehe ich nicht“, erwiderte ich sanft und beschloss, ihn zu erlösen, weil er mir beinahe leidtat. „Kennt Ihr denn nicht das berühmte Titelmonogramm? Da in der Ecke seht Ihr es! Und daneben – dort, gleich neben Eurem Daumen – der Vollziehungsstrich des Herrn Kaisers. Seine eigenhändige Unterschrift!“
    „Ah … ja, gewiss, natürlich kenne ich das“, grummelte er. „Das Monogramm, der Vollziehungsstrich. Ich hatte das nur nicht gleich bemerkt. Das heißt also … das soll bedeuten …“
    „… dass Herr Odo von Reims und ich, der Diakon Lupus, Stellvertreter des Herrn Kaisers sind. Wir sind beauftragt zu prüfen, ob man überall im Reich seine Gesetze beachtet und nach seinem Willen handelt. Unser mandatum betrifft ganz besonders Eure Grafschaft und Eure Amtsführung. Ihr erlaubt …“
    Ich nahm ihm das Pergament aus der Hand und legte es in die Schatulle zurück, die ich mit derselben formellen Umständlichkeit verschloss.
    Ein Kreis von Männern hatte sich um uns gedrängt. Die meisten glotzten blöde mit offenem Mund und begriffen nicht recht, was vorging. Allerdings musste der Einfältigste bemerken, dass dem Polterer Waratto plötzlich die Worte fehlten und dass ihn der „jämmerliche Haufen“, über den er beim Becher vielleicht noch gespottet hatte, in Verlegenheit brachte.
    Odo saß ab, warf seinen Purpurmantel, den eine Fibel am Hals zusammenhielt, schwungvoll über die Schulter und trat zu uns.
    „Ihr habt eine eigenwillige und herzliche Art, Gäste von hohem Rang zu empfangen“, sagte er zu Waratto. „Ich werde davon zu rühmen wissen!“
    „Warum habt Ihr nicht gleich gesagt, wer Ihr seid?“, verteidigte sich der Graf, der sowohl uns als auch seinen Leuten gegenüber um Haltung bemüht war.
    „Ich wollte Euch sagen, warum wir gekommen sind. Aber Ihr unterbracht mich, kaum dass ich den Mund aufgetan hatte, und gabt zur Antwort, Ihr selber würdet es uns sagen. Da dachten wir, dass Ihr Bescheid wusstet und dass Euch Spione schon unsere Ankunft gemeldet hatten.“
    „Aber Ihr habt doch gehört, dass ich Euch für einfaches Kriegsvolk hielt …“
    „Das konnte Täuschung sein“, sagte Odo mit einem überlegenen Lächeln. „Es wäre offener Verrat gewesen, Gesandte des Kaisers zu zwingen, in Eurer Gefolgschaft Dienst zu leisten. So weit wolltet Ihr nicht gehen, und das hätten wohl auch Eure eigenen Leute nicht mitgemacht. Indem Ihr vorgabt, nichts über unsere wahre Bestimmung zu wissen, brauchtet Ihr auf unseren Rang keine Rücksicht zu nehmen.“
    „Aber ich schwöre Euch“, rief Waratto, „ich hatte nicht die geringste Ahnung … Verrat? Niemals! Ich bin ein treuer Gefolgsmann des Kaisers!“
    „Daran haben wir leider Grund zu zweifeln“, sagte Odo mit einem Seufzer.
    „Wie? Was?“
    „Da Ihr Euch durch uns nicht gestört fühltet, wart Ihr sehr offen in Euren Äußerungen. Euer Racheschwur am Grabe … die Absicht, das ‚Nest des Ratibor‘, wie Ihr es nanntet, auszuräuchern … Spricht und handelt so ein treuer Gefolgsmann? Führt ein treuer Gefolgsmann Krieg auf eigene Faust – gegen einen Freund des Kaisers, seines Gefolgsherrn? Gegen seinen Verbündeten in der Schlacht auf dem Suentanafeld? Gegen seinen Schutzschild, der ihm die feindlichen Stämme im Osten, die Wilzen und Sorben, vom Hals hält? Ich frage die Herren, die hier anwesend sind, wie sie so etwas nennen würden!“
    Odo, beide Fäuste in die Seiten gestemmt, wandte sich den

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