Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
umbringen wollte, nicht noch Gold und Silber zum Lohn werden. Unwillkürlich hatten wir in weiser Voraussicht gehandelt, als wir die Truhe mit den Geschenken wieder mitgenommen hatten. Wir gingen gleich an die Verteilung, und in Windeseile verschwanden Münzen, Armreife, Ringe, Halsketten, Amulette, Fibeln, Schöpflöffel, kostbar verzierte Dolche und sogar Becher und Schüsseln in unseren weiten Hosen, wo zwischen Gürteln und straff gewickelten Wadenbändern viel Platz war. Was nicht untergebracht werden konnte, wurde in aller Eile seiner wertvollsten Bestandteile beraubt: Helmspangen, Schildbuckel, Schnallen, Beschläge. Rouhfaz stopfte sich zwei, drei Pergamentkodizes in die Hose. Ein paar Silberteller verarbeiteten unsere Männer rasch zu Hacksilber. Dies hängten wir in Beuteln an unsere Gürtel, damit es uns auf dem Weg durch das Land der Wenden weiterhalf. Wir sahen alle recht unförmig aus und konnten nur hoffen, dass unser metallisch klirrender Auftritt keinen Argwohn erregte.
Inzwischen war der Leichnam auf das Schiff gehoben worden. Wir bemerkten, dass man schon nach uns spähte, uns rief und Zeichen gab. Es sollte uns ja gestattet sein, von Knes Ratibor Abschied zu nehmen, ohne ihm einen letzten Freundesdienst auf dem gespenstischen Ehelager zu leisten. Dies entsprach nun allerdings nicht mehr unserem Plan. Wir hätten das Schiff ja danach verlassen müssen und wenig Aussicht gehabt, noch ein zweites Mal hineinzugelangen. Unbedingt mussten einige von uns schon auf dem Schiff sein, wenn es losging, denn wie sollten wir es alle auf einmal schaffen! Und natürlich mussten wir warten, bis unsere „Beute“ an Bord gebracht war.
Also taten wir so, als bemerkten wir nichts von den Rufen und Zeichen, seien geschäftig und noch nicht bereit für unseren Auftritt. Ich verabschiedete mich von Grisel, denn ich war überzeugt, ich würde den guten Grauen nicht wiedersehen. Auch Odo beklopfte und kraulte seinen Impetus. Mir schien, dass er dabei einen feuchten Blick hatte. Währenddessen ließen wir das Burgtor nicht aus den Augen. Wir mussten nicht lange warten.
Man brachte das Opfer. Inmitten eines Pulks aufgeregt wuselnder, kreischender Weiber schleppten zwei riesenhafte Kerle die sich heftig sträubende letzte Lieblingsfrau des Knes Ratibor. Auch jetzt sahen wir sie nicht aus der Nähe, staunten aber über die Kraft und Kühnheit, mit der sie sich widersetzte. Sie stieß die Männer mit Füßen und Ellbogen und versuchte, sich ihrem Griff zu entwinden. Man hatte sie prächtig herausgeputzt, standesgemäß und nach Stammessitte mit Schläfenringen, Ohrgehängen, Bernsteinketten. Ihre Hände waren gebunden und ihr Mund wohl durch einen Knebel verschlossen, den ein breites Band hielt. So aussichtslos es für sie war zu entkommen – sie wollte sich nicht mit ihrem Schicksal abfinden. Zweimal brachte sie auf dem Weg zum Totenschiff die beiden herkulischen Kerle ins Straucheln.
„Die gefällt mir“, sagte Odo anerkennend. „Die wird uns nicht mit Jammern und Klagen belästigen, sondern unterwegs nützlich sein.“
„Vorausgesetzt, wir schaffen sie hier lebendig heraus“, entgegnete ich.
„Du hast recht! Nicht länger gesäumt! Sonst bringt sie das Totenschiff zum Kentern, bevor es in See gestochen ist!“
Wir marschierten los, am Strand entlang. Da wir alle schwer trugen und die Hosen voller Metall hatten, entschlossen wir uns zu einem langsamen, feierlichen Aufzug, wie es ja auch dem traurigen Anlass entsprach. Odo und ich, an der Spitze schreitend, gaben das Tempo an. Waffen waren uns wieder verboten, das hatte Sparuna uns noch im Weggehen zugerufen. Odo trug sein Stirnband „für besondere Gelegenheiten“, das mit ein paar kleinen Edelsteinen bestückte, und natürlich den Purpurmantel. Ich zuckelte neben ihm her, ungeschmückt, aber mit unserer kostbaren eisernen Schatulle. Unsere neunköpfige Mannschaft folgte mit schweren, rasselnden Schritten.
Die Menge – sie mochte an die 1000 Köpfe zählen – wich zurück und machte uns Platz. Wir rückten bis an das Totenschiff vor. Ein günstiger Umstand fiel uns gleich auf: Das Schiff mit geblähtem Segel war schon zu Wasser gelassen, schaukelte auf den Wellen und wurde nur von einem Tau gehalten, das um den Ankerpflock gewunden war. Da der Wind zum Glück vom Land her wehte, war es straff gespannt und konnte mit einem Hieb durchtrennt werden. Weniger gefiel uns, dass sich die alte Zauberin jetzt auf dem Schiff befand. Noch immer Messer und Seil
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