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Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Titel: Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
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ihnen eintreten können.“
    „Oh, es genügt“, erwiderte Odo, „dass ich mich ganz in der Nähe aufhalte, während mein Amtsgefährte zuerst Euerm Vater die Dokumente vorliest und dann die kultischen Handlungen ausführt, die Eure Bräuche vorschreiben. Ich kann mich danach auf diese beschränken.“
    Slawomir maß uns beide noch einmal mit einem langen Blick, in dem ich jetzt nur eine unendliche Traurigkeit und Bitterkeit las, und sagte: „So begebt Euch an Bord.“
    Ich muss gestehen, dass ich mich für die Beschreibung dessen, was nun folgte, am liebsten mit wenigen Sätzen begnügen würde, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Denn zweifellos gehörten die nächsten Augenblicke zu den am wenigsten heldenhaften in meinem Leben. Aber ich will mich nicht um die Wahrheit herumdrücken und werde mich deshalb nicht schonen. Denn wie heißt einer der Sprüche Salomos: „Mein Mund soll die Wahrheit reden, und nichts Verkehrtes und Falsches sei in den Reden meines Mundes.“
    Mit wenigen Schritten waren wir am Wasser, und Slawomir, der uns folgte, gab den beiden Riesen ein Zeichen, damit sie uns beim Einstieg in das Totenschiff Hilfestellung leisteten. Mich hob einer der beiden wie einen Spielball auf, um mich auf das Schiff zu befördern. Odo verschmähte die Hilfe, watete in die Flut hinein und schwang sich selber über die Bordwand, die nur etwa zwei Fuß über dem Wasserspiegel aufragte. Und da widerfuhr ihm ein Missgeschick: Sein Purpurmantel blieb an einem Nagel hängen. Alles Ziehen und Zerren half nichts, er musste sich aus dem kostbaren Stück herausschälen. Es versank gleich im Wasser.
    „Verflucht, was mache ich jetzt?“, flüsterte Odo mir zu. „Wie soll ich das Ankerseil kappen?“
    Er hatte nämlich den Sax, sein Kurzschwert, in einem geheimen Fach im Futter des Mantels versteckt. Was war ein Mann wie er ohne Schwert! Ursprünglich hatte er vorgehabt, es herauszuziehen, sobald er an Bord gelangt war, und als Befreier hinter den Vorhang zu stürmen. Dies sollte das Zeichen für unsere Leute sein, das – wie wir annahmen – noch auf dem Ufersand liegende Schiff blitzschnell ins Wasser zu stoßen und hineinzuspringen. Der starke Wind, der vom Land her wehte, würde uns rasch davontragen. Odo wollte dann mit seinem Schwert die Fesseln des edlen Opfers lösen und dessen Dank empfangen. Nun aber musste zuvor erst das straffe Ankerseil durchtrennt werden!
    „Womit? Mit den Fingernägeln?“, seufzte Odo verzweifelt.
    „Vielleicht findet sich hier ein scharfer Gegenstand“, flüsterte ich.
    „Ich sehe nichts. Aber du … du hast doch den Dolch in der Hose … den mit den Rubinen.“
    „Habe ich, ja.“
    „Hol ihn heraus.“
    „Wie denn? Sie sehen uns alle zu!“
    „Geh hinter den Vorhang!“
    „Ich soll dort hinein?“
    „Nun mach schon! Sie werden nichts argwöhnen. Du überbringst doch dem Toten die Botschaft des Kaisers.“
    „Und wenn ich den Dolch gefunden habe?“
    „Ich stehe hier draußen am Vorhang! Drück ihn mir in die Hand! Nun geh!“
    Gott im Himmel! Alles hing jetzt von mir ab. Ein Blick zurück: Unsere Männer standen nahe beim Schiff und blickten gespannt herauf. Slawomir war von Protestierenden umringt, denen offenbar unsere Vorzugsbehandlung nicht passte. Pribislaw, der wütende Gockel, stieß den Finger nach uns und schrie auf ihn ein. Am Bootsheck hinter uns tanzte und kreischte noch immer der Todesengel. Das Segel über uns blähte sich.
    „Geh! Geh!“, drängte Odo. „Ehe sie es sich anders überlegen!“
    Ich stieg auf eine der Ruderbänke, und mit einem großen Schritt stand ich auf dem schwankenden Balkengefüge, das die Hütte trug. Noch ein Schritt – den Vorhang gehoben –, ich war drinnen. O entsetzlicher Anblick! In der Mitte der bleiche Alte, mit einem Diadem gekrönt, unter dem Bärenfell. Auf der einen Seite der blutige tote Hund, auf der anderen das unbedeckte lebende Opfer, mit Ringen und Ketten geschmückt, sonst völlig nackt, wie vorher geknebelt, Arme und Beine aber in der unzüchtigsten Stellung mit Lederriemen und Nägeln an die Pritsche gefesselt. Ich bekam einen solchen Schreck, dass mich der Schluckauf, der sich schon etwas gegeben hatte, wieder heftig zu quälen begann. Meinen zitternden Händen entfiel die Schatulle und stieß dabei den Krug mit dem Abschiedstrunk um, der zu Füßen des Toten stand. Ich wollte sie aufheben, aber als ich mich bückte, spürte ich eine Berührung an meiner Kehrseite. Ich fuhr herum und sah eine Hand, die hinter

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