Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
wohl zu verhindern gewusst, dass man ausgerechnet in der Zeit unseres Besuches eine fränkische Adelige mit dem brennenden Totenschiff ins Jenseits beförderte.
Wir erfuhren noch von ihm, dass dem Beschluss, streng nach dem Brauch zu verfahren, ein heftiger Streit unter den Ältesten und Verwandten vorangegangen war. Frau Dragomira sah sich als einzige langjährige, wahre Lieblingsfrau ihres Gemahls zurückgesetzt und neidete der Neuen die Reise ins Wendenparadies. So hetzte sie einige auf und wollte durchsetzen, dass die Fremde wegen Mordes angeklagt und verurteilt wurde. Dann würde sie nicht hochgeehrt von der Hand des Todesengels, sondern verachtet von der eines Henkers sterben. Aber die Alte hatte keinen Erfolg, auch nicht bei ihrem Sohn, dem neuen Knes, der den Mordverdacht entschieden zurückwies. Slawomir glaubte fest, die Geister hätten es getan, die seinem Vater wegen der Heirat gram waren.
„Was mag in diesem Burschen vorgehen?“, sagte Odo nachdenklich, als sich Sparuna entfernt hatte. „Ich will auf der Stelle ein Frosch sein, wenn ich so wenig von menschlicher Liebe verstehe. Er liebt sie! Er entführt sie unter Gefahr für Leib und Leben! Aber erst lässt er sie sich von dem Alten wegschnappen, und nun schickt er sie noch mit ihm in den Orkus.“
„Immerhin hat er verhindert, was seine Mutter wollte: dass sie des Mordes angeklagt wird.“
„Mord oder nicht – das Ende ist ja das gleiche.“
„Nicht in seinen Augen, nicht in denen der Leute hier. Er kann auch nicht anders handeln, sonst würde er ehrlos, als Führer des Stammes erledigt sein. Sie ist nun einmal eine der Witwen des Vaters und dazu ausersehen, als dessen …“
„Als dessen Lieblingsfrau! Jaja! Zum Teufel, das habe ich ja verstanden! Aber kannst du dir vorstellen, dass dieser Slawomir dort auf dem Totenschiff – hinter dem Vorhang, neben der Leiche seines Vaters – von der Angebeteten ‚Abschied nimmt‘? Indem er zum ersten und letzten Mal mit ihr … Das ist doch Wahnwitz!“
„Ich fürchte, so wird es kommen“, sagte ich verzagt. „Außerdem werden sich wohl viele ‚verabschieden‘. Und wenn wir nicht Zeugen des grausigen Schauspiels werden wollen, wie einer nach dem anderen hinter dem Vorhang verschwindet, zu schweigen von dem, was folgen wird … dann sollten wir jetzt dorthin gehen. Da kommen sie schon mit dem Leichnam. Wir tun rasch unsere Gesandtenpflicht, trinken auf dem Schiff den Abschiedsbecher und …“
„Und was? Und was?“ Odo blickte mich zornglühend an. „Und wenden den Rücken? Achten den Brauch? Überlassen die Schöne den geilen Trauergästen? Lassen sie von der verrückten, besoffenen Vettel dort umbringen? Lassen sie auf dem Teufelskahn zu Asche verbrennen?“
„Aber was können wir noch tun?“, rief ich. „Es ist ja unmöglich …“
„Du sagst es, mein Teurer! Wir tun das Unmögliche!“
8. Kapitel
Wir hatten keine andere Wahl: Wenn wir Hereswind, die Tochter des Grafen Waratto, retten wollten, mussten wir uns des Totenschiffs bemächtigen. Es war uns gleich klar, dass hier weder mit Drohungen noch mit Vorhaltungen etwas erreicht werden konnte. Gegen die grausamen Vorschriften eines Aberglaubens aus den unerforschlichen Tiefen der Stammesgeschichte würden weder die Furcht vor einer militärischen Vergeltung noch die Einsicht in die Sinnlosigkeit und Verwerflichkeit des Frauenopfers ankommen. An eine Entführung zu Lande war selbstverständlich überhaupt nicht zu denken. Wie sollte unser winzig kleiner Trupp das Opfer befreien und mit ihm aus der Mitte einer gewaltigen, empörten Menschenmenge entkommen? Es würde unser aller sicherer Untergang sein.
Nur wenn wir das Schiff in unsere Gewalt bekamen, konnten wir, ehe uns die Verfolger einholten, einen Vorsprung gewinnen. Wir würden irgendwo an Land gehen und dann – mit Gottes Hilfe und Glück – die Elbe erreichen. Brachten wir Waratto die unter eigener Lebensgefahr vom Tode errettete Tochter zurück, konnten wir wagen, in seinen Gau zurückzukehren.
Dieser Plan entstand in Gedankenschnelle, und viel mehr Zeit blieb auch nicht für die Ausführung. Schon näherte sich der Leichenzug dem Strand. In großer Hast erklärte Odo unseren Leuten, was wir vorhatten. Einwände ließ er nicht gelten. Es schmerzte natürlich, die Tiere und den Wagen samt Inhalt zurücklassen zu müssen. Doch zum Glück sahen alle ein, dass es unsere Christenpflicht war zu handeln.
Freilich sollte der heidnischen Teufelsbrut, die eine Christin
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