Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
„wenn du noch einmal so frech wirst, bekommst du das deinige auch!“
Ich hatte inzwischen meine Hose befestigt und meine Sprache wiedergefunden.
„Edles Fräulein“, säuselte ich, „nichts lag mir ferner, als Euch Gewalt anzutun.“
„Du – mir Gewalt antun? Na, das fehlte noch!“, sagte Swinde und maß mich verächtlich von Kopf bis Fuß.
„Er ist ein Heiliger“, erklärte Odo, „aber auch Heilige fallen manchmal.“
Ich wollte ihm diese Bemerkung erst übelnehmen – aber er hatte ja recht. Gleich zweimal hatte der Teufel mich an diesem Tag vor Zeugen in die peinlichste Lage gebracht. Lag es daran, dass ich mutlos und leichtfertig mein geistliches Gewand abgelegt hatte und damit vor Gott im heidnischen Land meinen Glauben verleugnete? Meine beiden Mönchskutten lagen in dem Wagen, den wir zurücklassen mussten. Im Stillen verordnete ich mir für diesen selbstverschuldeten Verlust 100 Psalmen und 100 Vaterunser als Buße. Und ich beschloss, mir eine neue Kutte zu nähen, sobald ich mir Tuch dazu beschaffen konnte.
Unsere Rettungstat war also geglückt. Das Segel des Totenschiffs knatterte lustig, während wir auf dem See dahinjagten. Die Richtung war uns anfangs gleichgültig, wichtig war nur, dass wir uns vom Ufer und den Burgbewohnern entfernten. Der See hatte mäßigen Wellengang und war so groß, dass wir erst ganz weit hinten am Horizont einen grünen Streifen wahrnehmen konnten.
Kein Zweifel, die Entführung des Totenschiffs musste für unsere wendischen Gastgeber ein entsetzlicher Frevel sein. Zurückblickend sahen wir, dass am Ufer helle Aufregung herrschte. Viele sprangen ins flache Wasser, gestikulierten, schrien uns Drohungen hinterher. Auch ein paar Lanzen wurden geschleudert, erreichten uns aber nicht. Dann sahen wir, wie gleich mehrere Boote zu Wasser gelassen wurden. Es waren Einbäume. Männer sprangen hinein und begannen, aus Leibeskräften zu rudern. Das beunruhigte uns noch nicht, denn wir hatten den Wind als Verbündeten, und unser Vorsprung wuchs.
Wir richteten uns auf den Ruderbänken ein, die zwischen dem Segelmast und dem Heck des Schiffes frei geblieben waren. Knes Ratibor blieb in seiner Hütte allein mit dem toten Hund, und seine Reise ins wendische Paradies verzögerte sich. Man würde ihn dort auch mit einem neuen Schimmel versorgen müssen. Um das Schiff von Ballast zu befreien, warfen wir den Pferdeleichnam über Bord. Ich ordnete aber an, dass von den anderen Versorgungsgütern, die dem Toten gehörten und die im Schiffsrumpf unter der Hütte verstaut waren, nichts angerührt wurde. Vorerst.
Auch eine neue Lieblingsfrau würde man dem Knes zuführen müssen. Swinde kümmerte sich nicht mehr um ihn. Vielmehr galt ihre ganze Aufmerksamkeit den Verfolgern. In ihrer knappen Behelfstunika wich sie nicht von ihrem Platz am Mast. Ihre Miene war gespannt, und ihr Blick war wieder tief dunkelblau. Das Schläfenband mit den Ringen und allen anderen Schmuck hatte sie sich heruntergerissen. Frei flatterte ihr langes dunkles Haar in der Brise. Ich dachte mir, so müsste wohl Helena ausgesehen haben, falls ihr geliebter Entführer Paris versucht hätte, sie gemeinsam mit seinem Vater Priamos zum Zwangsaufenthalt in die Unterwelt zu schicken. Das wäre auch eine hübsche Geschichte für die Feder des alten Homer gewesen.
Unsere Männer glotzten lüstern, doch niemand wagte, an Swinde das Wort zu richten, dafür sorgte schon Odo. Seinen eigenen Versuchen, mit ihr ein Gespräch anzuknüpfen, war allerdings wenig Erfolg beschieden. Sie beachtete ihn kaum und antwortete nur einsilbig oder gar nicht, was ihn sehr enttäuschte, denn er hatte mit den heißesten Dankesbezeigungen, vielleicht sogar Handküssen und Fußfällen gerechnet. Aber Dankbarkeit war nicht Swindes Stärke, und ganz andere Gefühle beherrschten sie.
Plötzlich streckte sie den Arm aus und schrie: „Da sind sie mit ihrem Kampfboot! Er ist dabei, ich erkenne ihn! Ja, komm nur, Verräter, komm nur, ich warte auf dich!“
Tatsächlich schoss zwischen den Einbäumen ein langes, schmales Schiff mit steil ansteigendem Bug und Steven hervor. Es mochte an die 80 Fuß lang sein, viel länger als das unsrige. Das Segel war gehisst, und an die 30, 40 Mann saßen auf den Bänken und stemmten sich in die Ruder.
Die Verfolger kamen rasch näher. Wie sollten wir ihnen entrinnen? Womit konnten wir uns verteidigen? Nur Odo besaß noch ein Schwert, wir anderen hatten nur Dolche und Messer an Bord geschmuggelt.
„Brecht die
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