Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman

Titel: Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordian Robert
Vom Netzwerk:
geführt wurden. Zelibors Herberge bestand aus einem großen Blockhaus unmittelbar am Elbufer und mehreren Gebäuden leichterer Bauart und unterschiedlicher Höhe und Breite, die dahinter als Speicher, Ställe und Gefängnisse auf dürrem Heideboden weitläufig verstreut waren. In eines dieser Letzteren führte man uns. Ein knorriger Alter mit einem Ring im Ohr, der eifrig um Waratto und Remmert herumbuckelte, wies uns ein. Das war Zelibor selbst, der berüchtigte Menschenfänger. Das Haus, in das er uns führte, hatte noch bis vor wenigen Tagen den gefangenen Wenden als Obdach gedient, auf zerschlissenen, stinkenden Schilfmatten hatten sie gelagert. Die Wände bestanden zwar nur aus Flechtwerk, und an vielen Stellen war der Lehmbewurf abgebröckelt, doch gaben die so entstandenen Löcher nur die Sicht auf ein kleines Stück des Anwesens und auf den hohen Zaun frei. In dem Haus konnten über 100 Gefangene untergebracht werden, so dass man für uns, die wir nur noch neun waren, viel Platz hatte. Die Fesseln wurden uns nicht abgenommen, und damit wir nicht miteinander sprechen konnten, teilte uns Zelibor, der kaum etwas sagte und auf Fragen mit unverständlichem Grunzen antwortete, Schlafstellen in großen Abständen zu. Nur mit lauter Stimme konnte man sich dem am nächsten Liegenden mitteilen. Doch das rief dann gleich einen Wächter herbei, der erbarmungslos Knüppelhiebe austeilte. Für Odo und mich, die in gegenüberliegenden Ecken des Hauses untergebracht waren, wurde jede Verständigung unmöglich.
    Slawomir war von uns getrennt worden, und nur zufällig sah ich durch eines der erwähnten Löcher in der Wand, dass man ihn besonders streng und sicher verwahrte. Zelibor ließ ihn zu einem toten Baum bringen, unter dem Ziegen weideten, die er wegstieß, um eine hinter Unkraut und Gras verborgene Eisenplatte aufzuheben. Darunter gelangte man wohl über eine Treppe zu einem unterirdischen Verlies. Slawomir wurde hinabgeführt. Nach einer Weile tauchten Zelibor und seine Leute wieder auf. Einer blieb als Wache unter dem Baumkrüppel sitzen.
    Wir wussten nicht, was Waratto und Remmert mit uns vorhatten, doch schon bald bekamen wir eine Ahnung davon. Erst kurze Zeit hatten wir auf unseren elenden Schilfmatten zugebracht, als einer unserer Männer, ein Franke, von zwei stämmigen Wächtern ergriffen und hinausgeschleppt wurde. „Zur Untersuchung deiner Verbrechen“, sagte man ihm. Der Rest des Tages verging, und unser Mann kam nicht wieder.
    Als mir einer der Wächter gegen Abend eine winzige Schale mit Haferbrei brachte, die ich mit gefesselten Händen ausessen musste, wagte ich zu fragen, was mit ihm geschehen sei.
    Zu meiner Überraschung erhielt ich die Antwort: „Ist unschuldig. Wurde freigelassen.“
    „Freigelassen? Und wo ist er jetzt?“
    Der Wächter bedeutete mir mit einer Geste, der Mann sei irgendwo draußen, weit draußen.
    „Wie?“, rief ich. „Da draußen? Im Wald? In den Sümpfen? In der Wildnis? Habt ihr ihn etwa ausgesetzt?“
    Darauf hörte ich nur noch ein Brummen und sah den Rücken des Wächters, der davonstapfte.
    Eine qualvolle Nacht verging, in der ich kaum Schlaf fand. Ratten huschten umher, und allerlei Ungeziefer krabbelte an mir herum. Die Männer, die uns bewachten, hockten in der Nähe der offenen Tür bei einer Ölfunzel und würfelten. In meiner Ecke lag ich im tiefen Schatten und wurde von dort vermutlich kaum wahrgenommen. So konnte ich wagen, mich ab und zu aufzurichten und durch das Loch in der Wand zu spähen. Ich sah den toten Baum seine Äste gegen den dunklen Himmel recken. Ein Mann ging auf und ab, seinen Speer geschultert. Irgendwann vernahm ich ein Geräusch und bemerkte, dass die Eisenplatte gehoben und gegen den Stamm gelehnt war. Ein schwacher Lichtschein erhellte das Viereck der Öffnung. Dann sah ich eine plumpe Gestalt von unten heraufsteigen – Remmert. Ihm folgten Wido und Zelibor. Die Öffnung wurde geschlossen, die drei verschwanden. Ich wagte mir kaum vorzustellen, was sie dort unten getan hatten.
    Der zweite Tag unserer Gefangenschaft brach an, und er war erst wenige Stunden alt, als sich der Vorgang vom Tag zuvor wiederholte. Abermals wurde einer unserer Leute geholt, ein Friese diesmal. Auch er kam nicht wieder. Meine Frage, wo er geblieben sei, beantwortete der Wächter mit der gleichen Geste: da draußen, irgendwo draußen!
    So war uns offenbar bestimmt, was so manchen Boten unseres Königs und Kaisers vorher beschieden war: spurloses Verschwinden.

Weitere Kostenlose Bücher