Toedliche Brautnacht - Odo und Lupus Kommissare Karls des Grossen - Erster Roman
Gefolgsleute, die sich inzwischen ringsum auf dem Rasen gelagert hatten, lachten laut und ungeniert.
„Nun“, rief Waratto, unter Lachen mühsam atmend, „dann werden wir sie geduldig erwarten! Die Vorigen, die Euch folgen sollten, fünf Hundertschaften, sind vermutlich in unseren Sümpfen versackt. Wollen sehen, ob diese es schaffen!“
„Die Kerle lügen und betrügen!“, polterte Remmert, der sich inzwischen an unseren Karren herangemacht hatte und in den Kisten und Körben wühlte. „Da – sieh dir das an, Graf! Und sie behaupten, dass wir stehlen. Das ist die Beute, die sie bei der Hochzeit da drüben gemacht haben. Deshalb mussten sie so eilig verschwinden. Einiges haben sie wohl auch dem Kaufmann geraubt. Der kommt nicht wieder, der wird sich hüten! Der Handel mit ihm ist ruiniert. Gib ihnen, was sie verdienen, Graf! Häng sie auf oder wirf sie in den Fluss – den wendischen Hund dazu!“
„Sie werden schon bekommen, was sie verdienen“, erwiderte Waratto ausweichend. „Wir müssen uns damit nicht beeilen.“
„Ich will meinen Sklaven behalten, Vater!“, schrie Swinde wieder. „Er gehört mir, ich hab ihn gefangen!“
„Aber du willst doch auch deine Vettern Siggo und Faramod wiederhaben. Deine gute Mutter wäre untröstlich, wenn die Söhne ihres erschlagenen Bruders nicht wiederkämen.“
„Die sind garstig, ich mag sie nicht! Für die gebe ich ihn nicht her!“
„Es sind ja auch noch zwei sächsische Edelinge in ihrer Gewalt.“
„Auch um die mach dir keine Sorgen“, knurrte Remmert. „Fehdebrüder und Erbschleicher. Sollen sie da drüben verrecken, das kümmert mich nicht. Noch einmal: Häng den wendischen Unhold lieber gleich auf! Denn falls sie ihn mitbringt in meine Burg, tue ich es!“
„Aber vorher darf ich ihn foltern!“, quäkte Wido.
„Das wirst du bleibenlassen, du Vogelscheuche!“, fuhr Swinde ihn wieder an. „Der ist mein Eigentum, der wird nicht angerührt!“
„Ich weiß schon, was du mit ihm vorhast!“, geiferte er. „Ich weiß es genau! Du willst heimlich mit ihm … so – so – und so …“
Er formte mittels Daumen und Mittelfinger der Linken ein Loch, in das er den Zeigefinger der Rechten hineinstieß. Diese sehr unanständige Geste erntete ringsum bei den Männern wieherndes Lachen. Swinde bückte sich, hob einen Stein auf und warf ihn Wido an den Kopf. Er traf ein Ohr, und Wido krümmte sich.
„Die führt sich auf“, sagte Remmert, „als wäre sie die Königin von Wessex. Dabei ist sie nicht mehr halb so viel wert wie vorher. Wenn wir sie als Witwe des Häuptlings der Filzhüte überhaupt nehmen sollen, muss vorher ein neuer Ehevertrag gemacht werden. Für die sind sechs Dörfer als Morgengabe zu viel!“
„Sei vorsichtig, Remmert“, sagte Waratto ruhig, aber unüberhörbar drohend. „Bisher hast du meine Gunst genossen.“
„Und ich habe dir deine Truhen gefüllt.“
„Was wärst du wohl ohne mich?“
„Und du? Was wärst du ohne mich?“
Sie standen sich gegenüber und stierten sich ein paar Atemzüge lang an. Remmert senkte als Erster den Blick.
Waratto ließ ihn stehen und wandte sich uns zu.
„Meine Herren Königsboten oder was immer ihr seid, ich sehe mich leider gezwungen, euch festzunehmen. Ich habe allen Grund zu vermuten, dass ihr Schwindler seid. Der Schaden, den ihr verursacht habt, ist schon beträchtlich. Wir bringen euch jetzt zu Zelibor. Alles Weitere wird eine Untersuchung ergeben.“
Ich gestehe, dass unser Protest nur lau ausfiel. Was sollten wir noch sagen? Konnten wir noch etwas zu unserer Rechtfertigung vorbringen, was nicht längst vorgebracht worden war? Odos leichtfertige Drohung mit Gewalt hatte uns lächerlich gemacht. Das lehrt uns: Solche Tricks darf man nur einmal wagen, nie zweimal!
Wir wurden allesamt wie gemeine Verbrecher gefesselt und abgeführt.
Swinde warf uns hellblaue, triumphierende Blicke zu, während sie mit ihrem Sklaven am Seil neben uns hertänzelte.
Nach einem kurzen Marsch erreichten wir Zelibors Herberge.
„Siehst du, Vater, ich hatte recht. Hätten wir Pelze, Wachs und Hirschhorn gekauft und uns nach Dänemark abgesetzt, könnten wir jetzt unseren Wohlstand genießen. Nichts ist schlimmer, als im Leben den richtigen Augenblick zu verpassen. Es gibt ihn nur einmal, er kommt nicht wieder.“
Dies war die letzte Weisheit, die ich von Odo hörte, während wir, ringsum von sächsischen Speeren bedroht, in das festungsartige, von einem hohen Palisadenzaun umgebene Anwesen
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