Tödliche Ernte
Sie saß mit gespitzten Ohren und sprungbereit neben mir.
Ein schwarzer Suburban hielt vor der Garage. Das automatisch betriebene Tor ging auf, und der Wagen glitt hinein.
Pisarro.
Kurz bevor sich das Tor hinter dem Geländewagen schloss, schlüpfte Pisarro darunter durch. Er kam mit einer brennenden Zigarre in der Hand herüber. Heute Abend trug er eine schwarze Hose, ein schwarzes T-Shirt und ein silbergraues Sakko. Und er trug das Lächeln zur Schau, das ich hassen gelernt hatte.
Ich ließ das Fenster herunter.
»Madame Tally«, sagte er und griff nach meiner Hand, die auf dem Fensterrahmen lag.
Ich legte sie zurück ans Steuer. Penny knurrte.
Seine Hand glitt in die Hosentasche, und ich stellte mir vor, wie er eine Pistole herauszog und Penny erschoss. Oder mich.
Stattdessen kam ein Zahnstocher zum Vorschein, und er fing an, in seinen Zähnen herumzustochern. »Nachdem Sie heute Abend nicht im Club aufgetaucht sind, wie Sie es Bones gegenüber erwähnt hatten, dachte ich, Sie hätten sich vielleicht noch einmal hier herausgewagt. Unser Dienstmädchen hat das bestätigt. Was also führt Sie heute Abend zu meinem schönen Domizil?«
»Ich habe meinen Notizblock in Angelas Zimmer liegen gelassen.«
Eine hochgezogene Braue, die seine gebräunte Stirn in Falten legte. »Wirklich?«
»Wirklich. Ich habe Bones angerufen, weil ich Ihnen aus dem Weg gehen wollte. Jetzt muss ich los.«
Er ging dem Wagen nach bis zur Wendezone. Penny ließ ihn nicht aus den Augen.
»Was ist in dem Karton?« Er deutete auf Angelas Sachen.
»Etwas, das mir gehört. Was kümmert Sie das?«
Er trat vom Truck zurück, und ich setzte langsam zurück. Ganz schön blöd, Pisarro über den Weg zu laufen, aber das Gaspedal durchzutreten, war auch keine Lösung.
Gerade als meine Fahrertür auf seiner Höhe war, machte er eine Handbewegung. Wieder ließ ich das Fenster herunter.
»Wir sehen uns«, sagte er.
»Ach ja? Das bezweifle ich, Mr Pisarro.«
»Harry.« Er hielt einen Finger hoch. »Es wird Marilyn leidtun, dass sie Ihnen Angelas Sachen gegeben hat.«
Ich trat auf die Bremse. »Ihre Frau hat mir nichts außer meinem Notizblock gegeben. Aber wenn Sie ihr etwas antun, Pisarro, dann erzähle ich Kranak, wie Sie sich heute Nachmittag mir gegenüber verhalten haben, das schwöre ich Ihnen.« Ich fuhr mit dem Finger über mein Gesicht, genau da, wo Kranak seine Narbe hatte.
Er lachte leise. »Sie lernen das Spiel aber schnell, Madame. Das gefällt mir.«
»Und ich mein’s ernst.«
Ich raste rückwärts die Auffahrt hinunter und hoffte insgeheim, dass ich keinen dieser verdammten Bäume erwischte.
30
Auf dem Rückweg von Pisarro in die Stadt rief ich Barb Beliskowitz an, meine Psychiater-Freundin. »Er nimmt Körperteile mit, Barb.« Ich beschrieb ihr, was er genommen hatte, einschließlich Elizabeths Brüsten.
»Während du das erzählst, muss ich die ganze Zeit denken, dass …«
Ich wartete. Barbara machte gerne Pausen, um nachzudenken, bevor sie weitersprach. Andere Menschen sollten das auch mal versuchen.
»Ich denke die ganze Zeit, dass diese Teile … tot sind«, sagte sie.
»Das zerstört doch ihre Schönheit.«
»Ja. Sie werden runzlig und schrumpelig, sogar, wenn man sie in Formaldehyd konserviert.«
»Sie sähen furchtbar aus.« Ihre Stimme klang zerstreut, als würde auch sie es sich vorstellen.
»Verdorben«, sagte ich.
»Seine Trophäen.«
»Aber eine Sammlung, Tally. Ein sehr persönliche.«
Penny hatte den Kopf in meinen Schoß gelegt, und sie seufzte. »Und sie sind alle hässlich. Nachdem sie den eigentlichen Besitzern weggenommen wurden. Aber er sieht das nicht so. Weil er etwas anderes darin erkennt. Wie ein Kind in seinem Schnuffeltuch oder seinem Teddy.« Oder einer Puppe namens Gladdy.
»Ja«, sagte Barb. »Das Objekt bleibt ein Bär oder ein Tuch, aber es ist mehr als das. Es kann für die Mutter des Kindes stehen, einen geliebten Hund oder einen Betreuer.«
»Korrigier mich, wenn ich falsch liege, aber würden diese abgetrennten Körperteile in seinen Augen nicht ihre Schönheit behalten?«
»Oh ja. Ganz sicher sogar.«
Als ich in meine Straße einbog, dachte ich über Sammlungen nach. Barbs Wohnzimmer war voller erlesener Werke eingeborener amerikanischer Künstler, und auch ihre Sammlung alter Miniaturöfen war dort aufgestellt. Auf meinen tiefen Fensterbänken reihte sich Weidenkorb an Weidenkorb, und auch auf den Tischen standen welche. Außerdem sammelte ich Zuni-Fetische. Dad hatte
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