Tödliche Ernte
hatte.
Ich wollte wärmende Worte hören. Worte des Trostes. Der Liebe. Wollte hören, dass er Harry Pisarro eine reinhauen würde. »Hast du mein Waschbecken repariert?«
»Hab’s nicht vergessen.«
Warum konnte ich mich nicht überwinden, um Hilfe zu bitten?
Wir legten auf, und ich schlang die Arme um Penny. »Ach, Pens. Ich fühle mich beschissen.«
Auf der Toilette putzte ich mir noch einmal die Zähne, um Pisarros Geschmack loszuwerden. Ich zog den Pulli hoch und begann, meine Brüste abzuschrubben. Meine Hand wurde langsamer. Das war’s!
Zurück im Büro, suchte ich Elizabeths Autopsiebericht hervor. Ich war so eine Idiotin. Der Killer hatte gar nicht ihre Augen als Trophäe an sich gebracht.
Er hatte ihre Brüste abgeschnitten. Sie waren das Souvenir.
Nachdem sich meine Wut auf Pisarro etwas gelegt hatte, rief ich Bones auf seinem Handy an.
Wir plauderten ein paar Minuten miteinander. Mrs Cheadle sagte nicht viel, schien aber munter zu sein. Ein gutes Zeichen. »Ähm, Bones, ist Mr Pisarro heute Abend im Club?«
»Jeden Tag außer Sonntag. Wollen Sie mit dem Boss reden?«
»Ich habe ihn heute Nachmittag gesehen, aber vielleicht komme ich heute Abend noch mal im Club vorbei. Danke.«
In der Hoffnung, dass Bones seinen Herrn nicht warnen würde, dass ich angerufen hatte, rief ich zum zweiten Mal an diesem Tag bei Pisarro zu Hause an. Das Dienstmädchen nahm ab, und ich verlangte Mrs Pisarro. Sekunden später kam eine Frau, die das R verschluckte, wie es typisch für Bostoner war, ans Telefon.
»Mrs Pisarro? Hier ist Tally Whyte.«
Ein Lachen. »Haben Sie heute Nachmittag mit ihm gefickt?«
Ich räusperte mich. »Mrs Pisarro, ich rufe wegen Angela an.«
»Und?« Ihr Stimme war rau und lallte.
»Haben Sie noch etwas von Angelas letzten Sachen? Ich habe ihr Zimmer gesehen und …«
»Er möchte, dass sie ein Kind bleibt. Nein. Ich hab alles weggeschmissen. Hat Harry Ihnen das nicht gesagt? Hab ein großes Feuer gemacht. Genau, wie er es mir befohlen hat.« Ein Schniefen. »Wieso?«
Ich erklärte es ihr.
Am anderen Ende herrschte Schweigen, dann: »Oh, kommen Sie doch vorbei.«
Ich fuhr erneut nach Carlisle. Der Schnee war tiefer, die Straßen schlechter befahrbar. Es kam mir vor, als läge Blessings Übergriff Jahre zurück, und nicht erst eine Woche. Dann wieder kam es mir vor wie gestern.
Penny spitzte die Ohren, als ich in Pisarros Auffahrt einbog. Das Byte Me hatte bis spät geöffnet. Es war erst sechs. Doch ich rechnete ständig damit, dass Scheinwerfer in meinem Rückspiegel auftauchten.
Auch mein Rücken kribbelte wieder, als ich den Weg hinaufging. Ich wünschte, ich hätte Penny an meiner Seite.
Die Haustür knarrte, und dann bedeutete mir eine große Frau mit braunem Pagenkopf und Pony, aufeinandergepressten roten Lippen und grünen Augen einzutreten.
»Es ist alles da drin.« Sie deutete auf einen Karton, der auf einem Stuhl stand. Ihre manikürte Hand hielt einen Joint. »Wenn Sie ihm von Angies Sachen erzählen, dann … Erzählen Sie’s ihm nicht.«
»Bestimmt nicht.« Ich hob den Karton hoch, der erstaunlich leicht war.
»Passen Sie gut darauf auf, ja?« Sie begann zu weinen. »Er hat alles andere verbrannt. Ich musste all meine Schätze reinwerfen. Ihr Kleider, Bücher, Fotos und … alle ihre geliebten Sachen. Das ist alles, was ich vor ihm verstecken konnte.«
»Ich dachte, wir könnten uns etwas unterhalten. Ich versuche, mehr über Angela in Erfahrung zu bringen.«
Sie nahm einen Zug von ihrem Joint und atmete aus, als handele es sich um eine Zigarette. »Worüber?«
»Über ihr Leben. Wie sie die Zeit am College verbracht hat. Ich habe noch immer keine klare Vorstellung aus jenen Jahren.«
Mrs Pisarro trat zu einem der aufstrebenden Fenster, zog den Vorhang beiseite und lugte hinaus. »Sie müssen gehen.«
»Ich … Können Sie sich an etwas erinnern? Irgendetwas?«
Sie lehnte den Kopf gegen die Wand. »In den letzten Jahren hat Angie nicht besonders viel mit mir geredet. Hören Sie, Sie müssen gehen.«
»Natürlich. Danke. Ich werde auf Angelas Sachen aufpassen. Sind Sie sicher, dass ich Ihnen nicht irgendwie helfen kann?«
Ein schiefes Grinsen. »Wie heißt es so schön? Für mich kommt jede Hilfe zu spät.« Sie schloss die Tür hinter mir.
Ich verstaute den Karton im Kofferraum des Trucks und glitt dann hinters Lenkrad.
Scheinwerfer schwenkten in die Auffahrt ein.
Ich konnte nicht zurücksetzen, also gab ich Penny das Kommando, sich bereitzuhalten.
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