Tödliche Ewigkeit
zu kontrollieren und in ruhigem Ton zu sprechen. »Warum haben Sie alles zurückgelassen und Ihrer Verlobten, Ihrem Vater und anderen Menschen, die Sie liebten, Ihren Tod vorgetäuscht?«
Buchanan regulierte die Transfusion, ohne sie dabei anzusehen.
»Das Glück ist oft nur schöner Schein. Wie die Liebe …«
»Fühlten Sie sich nicht geliebt?«
Ein Ausdruck von Verbitterung huschte über Steves Gesicht.
»Was ist schon Liebe?«
»Sich über die Existenz eines anderen Menschen zu freuen«, antwortete Ann rasch. Gleichzeitig überkam sie eine große Traurigkeit, die sie sich nicht erklären konnte.
»Mein Vater hat sich nicht über meine Existenz gefreut.«
»Aber Lucie?«
»Ich weiß nicht. Sie verstand es vielleicht zu lieben. Aber ihre Liebe tat mir nicht gut.«
»Weil Sie das Gefühl hatten, sie nicht zu verdienen?«
Buchanan hielt inne und musterte sie schweigend.
Ann schöpfte Hoffnung. Möglicherweise war Steve Buchanan nicht der Psychopath, für den sie ihn hielt, sondern eine verirrte Seele, an deren Menschlichkeit sie gerührt hatte. Diesen Vorteil musste sie für sich nutzen.
»Die Krankheit Ihres Vaters hat Sie zu Ihrer Entscheidung bewogen, nicht wahr?«
»Eher seine Genesung. Als ich erfuhr, dass er an einer unheilbaren degenerativen Krankheit litt, habe ich mich dem Professor anvertraut. Er hat mir gesagt, ich solle die Hoffnung nicht aufgeben, und eine Einweisung meines Vaters in die Klinik Seven Guards vorgeschlagen. Als er dort eintraf, konnte er schon fast nicht mehr sprechen, doch er verließ sie völlig geheilt. Natürlich habe ich den Professor gefragt, wie er dieses Wunder vollbracht habe …«
Buchanan sprach auffallend monoton, als betrachte er seine eigene Geschichte mit großer Distanz.
»›Wollen Sie es tatsächlich wissen?‹, hat er mich gefragt. Ich zögerte, als ahnte ich bereits, dass von der Antwort auf diese Frage mein restliches Leben abhängen würde. Ich habe ja gesagt. Der Professor hat mich in das nächste Flugzeug nach Juárez gesetzt und mich das Geheimlabor besichtigen lassen. Anschließend wollte er wissen, ob ich mir vorstellen könne, Direktor des Forschungslabors zu werden.«
»Ob Sie es sich vorstellen können? Ihr Vater brauchte seine Wundermedizin. Wenn er sie ihm verweigert hätte …«
»Sie denken, der Professor hätte mich erpresst. Nein, das hat er nicht nötig.«
»Und Sie wollten tatsächlich verschwinden, alles zurücklassen und den Rest Ihres Lebens in diesem Gefängnis verbringen?«
»Große Errungenschaften sind stets mit Opfern verbunden, das lehrt uns die Geschichte. Professor Irkalla hat mir bewiesen, dass er imstande ist, den größten Traum der Menschheit zu verwirklichen: den Tod zu besiegen. Er hat mir gesagt, dass er dazu meine Hilfe benötige und mich zu seinem Nachfolger machen werde.«
Ann schwieg. Sie verstand nun besser, warum Lucie Miltons Verlobter sich in dieses kaltherzige Monster verwandelt hatte. Der bevorstehende Tod Henry Buchanans, dieses Vaters, der ihn nur adoptiert hatte, um ihn zu seinem Nachfolger zu machen, und den er so bitter enttäuscht hatte, bedeutete eine Schuld, derer er sich niemals würde entledigen können. Sicher hatte Steve stets davon geträumt, doch noch zu erreichen, dass Henry Buchanan eines Tages auf seine außergewöhnlichen Erfolge in seinem selbst gewählten Beruf stolz sein würde … Und, siehe da, Irkalla, sein zweiter Ziehvater, der ihn stets in dieser Berufswahl bestätigt und ermutigt hatte, beglich auf einen Schlag seine Schuld, indem er das Leben seines Adoptivvaters rettete! Gleichzeitig enthüllte er ihm den übermäßig hohen Preis dieses medizinischen Wunders und stürzte den jungen Wissenschaftler somit auf diabolische Weise in einen unlösbaren Gewissenskonflikt. Er konnte die Rettung des schon verloren geglaubten Vaters ja unmöglich ablehnen, und so war es für ihn von da an schwer, die Methoden zu verdammen, durch die dies möglich geworden war … Um sich den Anschein eines inneren Friedens zu erkaufen, sah Steve keine andere Wahl, als blind dem Projekt seines Mentors zu dienen. Gab es eine Schwachstelle in dem unseligen Panzer dieses verlorenen Mannes? Das musste sie unbedingt versuchen herauszufinden.
»Professor Irkalla übt eine Faszination auf Sie aus, nicht wahr?«, fragte sie mit sanfter Stimme.
»Er ist mein Vater. Denn er hat mich wirklich adoptiert.«
»Und dass dieser Mann die Ermordung Ihres Vaters und der Frau, die Sie liebten, angeordnet hat, ist
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